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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb
Autoren: Jonathan Kellerman
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auf so’ne bizarre Art und Weise - man guckt sich mal die andere Hälfte der Menschheit an, darf vom Rand her als Mauerblümchen gemeine analytische Bemerkungen machen, während man seinen bourgeoisen Neid unterdrückt.«
    Ich erinnerte mich an etwas.
    »Larry, warst du nicht mal eine Zeitlang Kruses Forschungsassistent?«
    »Nicht eine Zeitlang, Alex. Nur für ein Semester - ja, ich gebe zu, ich will davon heute nichts mehr wissen. Die Untersuchung war ein total schwachsinniges Unterfangen. Meine Entschuldigung: Ich war pleite - jung verheiratet und hockte über meiner Dissertation, und mein Stipendium vom National Institute for Mental Health lief in der Mitte des Semesters aus.«
    »Komm, gib’s doch zu, Larry, es war ein dufter Job. Ihr Jungs habt den ganzen Tag nur rumgesessen und euch Pornos angeguckt.«
    »Das ist nicht fair, Alex. Wir erforschten die Grenzen der menschlichen Sexualität.« Er lachte. »Und genauer gesagt: Wir haben den ganzen Tag herumgesessen und zugesehen, wie Studenten Pornofilme anguckten. Ach, diese geilen Siebzigerjahre - könntest du dir heute so was vorstellen?«
    »Ein tragischer Verlust für die Wissenschaft.«
    »Katastrophal. Um die Wahrheit zu sagen, es war totaler Mist. Kruse ist nur deshalb damit durchgekommen, weil er Geld hereinbrachte - einen privaten Zuschuss -, damit er die Wirkung der Pornografie auf die sexuelle Erregung studieren konnte.«
    »Ist etwas dabei herausgekommen?«
    »Hauptsächlich eins: Fickfilme machen Studenten im dritten und vierten Semester geil.«
    »Ich wusste das, als ich im dritten und vierten Semester war.«
    »Du warst ein Spätzünder, Alex.«
    »Hat er was darüber veröffentlicht?«
    »Wo? Im Penthouse ? Nee. Er hat sich mit den Ergebnissen in Talkshows interessant zu machen versucht - und Porno als gesundes sexuelles Ventil et cetera, et cetera propagiert. Dann, in den ›verklemmten Achtzigern‹, vollzog er eine völlige Kehrtwendung, oder sagen wir, er analysierte seine Daten erneut. Fing an, Reden zu halten darüber, dass Porno die Gewalt gegen Frauen fördere.«
    »Ein Supermann der Pornografie, unser neuer Dekan.«
    »O ja.«
    »Wie ist er denn so hoch geklettert? Larry? Er war doch mal ein Teilzeithelfer.«
    »Ein Teilzeithelfer mit Vollzeit-Verbindungen.«
    »Der Name der Stiftung - Blalock?«
    »Du hast’s erfasst. Alte Knete - Stahl, Eisenbahnen - eine von diesen Familien, die jedes Mal, wenn jemand westlich des Mississippi atmet, einen Penny verdient.«
    »Was hat Kruse damit zu tun?«
    »Nach dem, was ich gehört habe, hatte Mrs. Blalock ein Kind mit Problemen, Kruse war der Therapeut des Kindes. Muss ihm sehr geholfen haben, denn Mutti erfreut den Fachbereich seit Jahren mit ihrem Geldsegen - unter der Bedingung, dass Kruse das Geld verwaltet. Man hat ihn gefördert und ihm alles gegeben, was er haben will. Sein letzter Wunsch war Dekan, also, voilà, ist er’s geworden.«
    »Ämterkauf«, sagte ich. »Ich wusste nicht, dass es so schlimm geworden ist.«
    »So schlimm und noch schlimmer, Alex. Ich halte immer noch diese Vorlesungen in Familientherapie, also habe ich genug mit dem Fachbereich zu tun, um zu wissen, dass die finanzielle Situation katastrophal ist. Weißt du noch, wie sie uns früher das Dogma von der reinen Forschung gepredigt haben und alles, was auch nur im entferntesten nach Praxisbezug aussah, tabu war? Wie der Rattenmann Frazier uns immerzu eingetrimmt hat, relevant wäre ein unanständiges Wort? Nun hat’s diese Leute gründlich erwischt. Wer will schon Zuschüsse für die Erforschung des Augenzwinkerns von geschälten Hummern zahlen? Außerdem hatten sich kaum noch Studenten bei uns eingeschrieben - Psychologie liegt nicht mehr im Trend. Einschließlich meines Ältesten wollen sie heute alle Wirtschaftswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre zum Hauptfach haben - insider trading heißt die Parole, nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm. Das heißt: Ausgabenkürzungen, Entlassungen, leere Vorlesungssäle. Für neunzehn Monate hatten sie einen Einstellungsstopp - sogar die ordentlichen Profs ließen die Nasen hängen. Kruse bringt Blalock-Geld, er kriegt so einen Posten auf dem Silbertablett gereicht. Oder wie mein Ältester sagen würde: ›Geld ist angesagt, Dad‹. Bullshit groß im Kommen. Zum Teufel, sogar Frazier ist auf den Zug aufgesprungen. Wie ich hörte, bietet er jetzt per Kleinanzeigen Tonbänder an, per Postversand, mit denen man sich das Rauchen abgewöhnen soll.«
    »Du nimmst mich auf
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