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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb
Autoren: Jonathan Kellerman
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allem ausgefragt. War gut, das mal wieder zu machen. Also sag mir, was meinst du, kannst du ihn übernehmen? Obwohl er noch so jung ist?«
    »Ich hab schon Jüngere gehabt. Wie weit ist er sprachlich?«
    »Ich habe ihn noch nichts sagen hören. Sie behauptet, vor dem Unfall hätte er schon ein paar kurze Sätze gesprochen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie schon für sein Studium zu sparen angefangen hatte. Wenn du eine Einbuße hinsichtlich seines Intelligenzquotienten beweisen könntest, dann könnte ich das in Dollars übersetzen, Alex.«
    »Aber Mal -«
    Er lachte übers Telefon. »Ich weiß, ich weiß, Mr. - pardon, Dr. Konservativ. Es liegt mir fern, dich zu -«
    »Nett, mal wieder mit dir zu reden, Mal. Sag der Mutter, sie soll mich anrufen, damit wir etwas verabreden können.«
    »- beeinflussen, wenn du ein Gutachten abgibst, ich weiß, dass das nicht gestattet ist. Während du dich mit dem Fall befasst, darfst du dir allerdings ruhig mal durch den Kopf gehen lassen, was es für sie bedeutet, allein ein Kind aufzuziehen, keine Berufsausbildung und kein Geld zu haben. Und mit diesen Erinnerungen leben zu müssen. Ich habe gerade Fotos von dem Unfall gesehen - mir ist das Mittagessen hochgekommen. Es gibt da ein paar offene Fragen, Alex. Es lohnt sich, da mal nachzuhaken.«
     
 
    »Dha!« Er hatte die Puppen gefunden. Drei Männer, eine Frau, einen kleinen Jungen. Kleine rosafarbene Puppen aus weichem Plastik mit leeren, arglosen Gesichtern, anatomisch korrekten Körpern und abnehmbaren Gliedern. Daneben noch zwei Spielzeugautos, größer als die anderen beiden, ein rotes und ein blaues.
    Ich stand auf und schwenkte die Kamera, sodass sie auf den Tisch gerichtet war, dann hockte ich mich zu ihm auf den Boden.
    Er nahm das blaue Auto und setzte die Puppen so wie immer hinein: einen Mann ans Steuer, den anderen daneben, die Frau hinter den Fahrer und das Kind in den Kindersitz. In dem roten Auto saß niemand. Eine Männerpuppe lag noch auf dem Tisch.
    Er hob die Arme und ließ sie wieder sinken und fasste sich an die Nase. Er nahm das blaue Auto in die Hand, streckte den Arm weg von sich und sah anderswohin.
    Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Ist schon gut, Darren.«
    Er atmete ein, blies Luft aus, hob das rote Auto auf und stellte beide Autos einander in einem halben Meter Abstand frontal gegenüber. Er holte wieder tief Luft, blies die Backen auf und schrie, dann stieß er die Autos zusammen, so fest er konnte.
    Der mitfahrende Mann und die Frau landeten auf dem Teppich. Die Knabenpuppe sackte in ihrem Gurt in sich zusammen, der Kopf fiel nach vorn herunter.
    Der Fahrerpuppe galt seine Aufmerksamkeit - sie lag auf der vorderen Sitzbank, am Herausfliegen dadurch gehindert, dass ein Fuß sich im Lenkrad verfangen hatte. Ächzend bemühte sich der Junge, sie herauszuziehen. Er zog und drehte, fing verzweifelt an zu brummen, aber schließlich gelang es ihm, sie loszubekommen. Er hielt sie von sich weg, betrachtete prüfend ihr Plastikgesicht und riss ihr den Kopf ab. Dann legte er ihn neben den des kleinen Jungen.
    Ich hörte ein Ächzen vom anderen Ende des Zimmers und drehte mich um. Denise Burkhalter duckte sich wieder hinter ihr Buch.
    Ohne auf ihre Reaktion zu achten, ließ der Junge den kopflosen Körper fallen, hob die Frauenpuppe auf, drückte sie an sich, legte sie hin. Dann kehrte er zu den Männerpuppen - dem geköpften Fahrer und dem Beifahrer - zurück. Er hob sie hoch über den Kopf und warf sie an die Wand, sah sie dagegenprallen und dann hinunterfallen.
    Er sah die Knabenpuppe an und hob den daneben liegenden Kopf auf. Nachdem er ihn unter der Handfläche hinund hergerollt hatte, warf er ihn beiseite.
    Er ging auf die Männerpuppe zu, die noch unbewegt dasaß - den Fahrer in dem anderen Wagen - machte noch einen Schritt, blieb stehen, erstarrte und wich dann zurück.
    Im Zimmer war es still bis auf das Summen der Kamera. Mrs. Burkhalter blätterte eine Seite ihres Buches um. Der Junge stand eine Zeitlang unbeweglich da, dann überkam ihn ein so wilder Tätigkeitsdrang, dass es im Zimmer vor Spannung knisterte.
    Er wiegte sich kichernd vor- und rückwärts, rang die Hände, stotterte und spuckte. Er lief durchs Zimmer, trat gegen Bücherregale, Stühle, gegen den Schreibtisch, gegen die Scheuerleisten, kratzte mit den Fingernägeln an den Wänden und hinterließ kleine Fett- und Schmutzflecke.
    Sein Lachen wurde schriller, bis es einem heiseren Bellen Platz machte, auf das ein
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