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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
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stand ich ganz vorne an der Tür, aber eine Menschenmenge hinderte mich am Aussteigen. Die Männer, die sich vor dem Bus drängten, waren Schlepper, die für Hotelbesitzer, Drogenhändler und andere Geschäftsleute im Einsatz waren. Sie schrien uns in gebrochenem Englisch Angebote für günstige Hotelzimmer und billige Waren zu. Ganz vorne befand sich ein kleiner Mann mit einem großen, beinahe kugelrunden Kopf. Er trug ein Jeanshemd und eine blaue Baumwollhose. Ihm gelang es, die anderen zum Schweigen zu bringen. Dann sprach er mich an, mit dem breitesten und strahlendsten Lächeln, das ich jemals gesehen hatte.
    »Guter schöner Morgen, Sirs!«, begrüßte er uns. »Willkommen in Bombay! Wollen Sie billig und prima Hotel, nicht wahr?«
    Er starrte mir direkt in die Augen, ohne dass sein Lächeln sich veränderte. Etwas in diesem Lächeln – eine Art schelmische Lebensfreude, ehrlicher und begeisterter als Zufriedenheit – berührte mich zutiefst. Es war das Werk einer Sekunde, dieser Blickkontakt. Und in dieser Sekunde kam ich zu dem Schluss, dass ich ihm vertraute – diesem kleinen Mann mit dem großen Lächeln. Ich konnte es damals noch nicht wissen, aber das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
    Einige Leute schlugen nach den Männern, als sie aus dem Bus stiegen. Die jungen Kanadier drängten sich unbehelligt durch die Menge und lächelten die aufdringlichen Schlepper ebenso freundlich an wie die gereizten Touristen. Als ich sah, wie ruhig und gelassen die beiden sich durch diese Menschenmenge bewegten, fiel mir zum ersten Mal auf, wie gesund und kraftvoll und attraktiv sie wirkten. Und ich beschloss, auf ihr Angebot einzugehen und mit ihnen ein Zimmer zu nehmen. Ihre Nähe würde das Verbrechen meiner Flucht, das Verbrechen meiner Existenz unsichtbar machen.
    Der kleine Mann zog mich am Ärmel hinter den Bus. Unterdessen kletterte der Schaffner flink wie ein Affe aufs Dach und warf mir meinen Rucksack und meine Reisetasche in die Arme. Andere Taschen landeten mit beunruhigendem Krachen und Klatschen unsanft auf dem Boden. Während andere Fahrgäste angerannt kamen, um der Misshandlung ihres Gepäcks Einhalt zu gebieten, zog mich der kleine Mann zu einer ruhigeren Stelle ein paar Meter vom Bus entfernt.
    »Heiße ich Prabaker«, stellte er sich in melodischem Englisch vor. »Wie ist er Ihr guter Name?«
    »Lindsay«, sagte ich; der Name aus meinem falschen Ausweis.
    »Bin ich Bombay Führer. Sehr erstklassig Bombay Führer bin ich. Alles das Bombay kenne ich sehr, sehr gut. Wollen Sie alles sehen? Weiß ich, wo Sie finden das Beste von alles. Kann ich sogar mehr zeigen als alles.«
    Die beiden Kanadier stießen zu uns, im Gefolge eine Schar hartnäckiger Führer und Schlepper. Prabaker schrie seine Kollegen an, die daraufhin ein paar Schritte Abstand nahmen und begehrlich unser Gepäck beäugten.
    »Was ich jetzt gerne sofort sehen würde«, sagte ich, »ist ein billiges und sauberes Hotelzimmer.«
    »Oh, ist es das kein Problem, Sir!«, strahlte Prabaker. »Kann ich Sie bringen zu billiges Hotel und sehr billiges Hotel und zu ein zu viel billiges Hotel und sogar zu so billiges Hotel, wo nur wohnt, wenn man ist ganz verrückt im Kopf.«
    »Okay, gehen wir, Prabaker. Schauen wir uns das mal an.«
    »Hey, Augenblick mal«, warf der große Kanadier ein. »Willst du diesem Typen Geld geben? Ich weiß selber, wo die Hotels sind. Sorry, Kumpel – ich meine, du bist bestimmt ein guter Führer und so –, aber wir brauchen dich nicht.«
    Ich sah Prabaker an. In seinen großen braunen Augen lag ein Lachen, als er mich eingehend betrachtete. Niemals habe ich einen Mann gekannt, der weniger Feindseligkeit in sich trug als Prabaker Kharre. Er war außerstande, jemandem etwas zuleide zu tun, und das spürte ich schon damals, in diesen ersten Minuten mit ihm.
    »Brauche ich Sie, Prabaker?«, fragte ich mit gespieltem Ernst.
    »Oh ja!«, rief er aus. »Brauchen Sie mich so sehr, dass ich muss beinahe weinen für Sie! Weiß das nur Gott, was passieren für ganz schreckliche Sachen, wenn Sie nicht geführt sind von mein gute Selbst in Bombay!«
    »Ich bezahle ihn«, sagte ich zu den Kanadiern. Die zuckten die Achseln und griffen nach ihrem Gepäck. »Okay. Gehen wir, Prabaker.«
    Ich hob meinen Rucksack hoch, aber Prabaker packte ihn hastig.
    »Trage ich Ihr Gepäck«, verkündete er höflich.
    »Nein danke, es geht schon.«
    Anstatt des strahlenden Lächelns bekam ich nun eine bestürzte und bittende Miene zu
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