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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram
Autoren: Gregory David Roberts
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bei dem Mann ohne Beine mitfahren durfte.
    Prabaker warf mir immer wieder Seitenblicke zu.
    »Unser Bombay – gefällt es Ihnen?«
    »Wunderbar«, sagte ich, und das war die Wahrheit. In meinen Augen war diese Stadt hinreißend schön, aufregend und wild. Romantisch anmutende Kolonialbauten standen neben verspiegelten modernen Bürogebäuden. Vor halb verfallenen niedrigen Wohnhäusern wurde Obst und Gemüse und schimmernde Seide im Überfluss angeboten. Aus jedem Geschäft und jedem Taxi hörte man Musik. Die Farben waren leuchtend und prachtvoll, die Düfte betörend. Und nirgendwo auf der Welt hatte ich in so vielen Augen ein Lächeln gesehen wie bei den Menschen in dieser Straße.
    Und Bombay strahlte Freiheit aus – berauschende Freiheit. Ich sah diesen freien ungehinderten Geist, wo ich auch hinblickte, und ich spürte, wie mir das Herz aufging. Selbst die brennende Scham, die ich empfunden hatte, als ich zum ersten Mal die Slums und Bettler sah, verschwand mit der Erkenntnis, dass diese Männer und Frauen frei waren. Niemand vertrieb die Bettler von der Straße. Niemand verbannte die Slumbewohner. Ihr Leben mochte elend sein, doch sie durften es in denselben Gärten und Straßen zubringen wie die Reichen und Mächtigen. Sie waren frei. Diese Stadt war frei, und ich liebte sie.
    Dennoch machten mich die Wucht der Bedürfnisse, das wilde Treiben, gezeugt aus Nöten und Begehrlichkeiten, die Heftigkeit der Bitten und Machenschaften auf der Straße innerlich unruhig. Ich sprach keine der Sprachen, die an mein Ohr drangen. Ich wusste nichts über die unterschiedlichen Kulturen dieses Landes, über die Menschen in Saris, fremdartigen Gewändern, Turbanen. Ich kam mir vor wie in einem schwer verständlichen Theaterstück, das ich nicht kannte. Doch ich lächelte, und das Lächeln fiel mir leicht, so fremd und verwirrend meine Umgebung auch auf mich wirkte. Ich war auf der Flucht. Ich wurde gesucht, gejagt, auf meinen Kopf war ein Preis ausgesetzt. Und ich war ihnen immer noch einen Schritt voraus. Ich war frei. Auf der Flucht ist jeder Tag ein ganzes Leben. Jede Minute in Freiheit ist eine Kurzgeschichte mit Happy End.
    Und ich war froh, Prabaker an meiner Seite zu haben. Ich merkte, dass er von vielen unterschiedlichen Menschen auf der Straße herzlich gegrüßt wurde.
    »Müssen Sie sein viel hungrig, Mr. Lindsay«, äußerte Prabaker. »Sind Sie ein glücklicher Mann, wenn ich sagen darf, und hat er immer gute Appetit ein Glücklicher.«
    »Ja, ich habe Hunger, ziemlich sogar. Wo ist dieses Restaurant überhaupt? Wenn ich gewusst hätte, dass es so ein weiter Marsch ist, hätte ich mir einen Imbiss mitgenommen.«
    »Nur noch klein bisschen – nicht mehr zu weit«, antwortete Prabaker fröhlich.
    »Aha …«
    »Oh ja! Bringt es Sie zu bestes Restaurant mein gute Selbst, mit viel köstlichem Essen aus Maharashtra. Genießen sie das sehr prima Essen, kein Problem. Essen sie alle Bombay Führer da. Ist es so gut das Essen, dass sie müssen der Polizei nur Hälfte von normalem Bakschisch zahlen. So gut ist es das Essen.«
    »Aha.«
    »Oh ja! Aber erst will ich kaufen indische Zigarette für Sie und für mein gutes Selbst. Hier, halten wir hier.«
    Er trat zu einem Klapptisch, auf dem ein Karton mit unterschiedlichen Zigarettenschachteln und ein großes Messingtablett mit mehreren Silberschalen standen, die Kokosraspeln, Gewürze und diverse unidentifizierbare Pasten enthielten. Neben dem Tisch trieben spitze Blätter in einem Eimer Wasser. Der Zigarettenverkäufer trocknete die Blätter ab, bestrich sie mit mehreren Pasten, füllte sie mit gehackten Datteln, Kokosraspeln, Betel und Gewürzen und rollte sie fest zusammen. Die Kunden, die sich um den Tisch drängten, rissen ihm die gerollten Blätter aus den Händen, sobald sie fertig waren.
    Prabaker drängte sich nach vorne und wartete auf den richtigen Moment, um seine Bestellung anzubringen. Ich reckte mich, um ihn im dichten Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren, und ging dabei rückwärts. Als ich vom Gehweg auf die Straße trat, hörte ich einen Aufschrei.
    »Vorsicht!«
    Zwei Hände packten meinen Ellbogen und rissen mich just in dem Moment zurück, als ein breiter Doppeldeckerbus vorbeidonnerte. Der Bus hätte mich überfahren, wäre ich nicht zurückgehalten worden. Als ich mich umdrehte, um zu erfahren, wem ich meine Rettung verdankte, stand ich vor der schönsten Frau, die ich je gesehen hatte. Sie war schlank, hatte schulterlanges, schwarzes Haar und
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