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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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alten Zimmer - es ist nicht mehr einfach »mein Zimmer« - und sitze auf meinem Minikühlschrank, den Jasmine, Daisy und Mark für meine Rückkehr wie eine Hotel-Minibar ausgestattet haben; genau wie ich es mag: Bier und Soda, Toblerone-Schokolade, Dosen mit Cashew-Kernen, Nußsplitter, Scotch und gedörrte Rindfleischstreifen. Nichts Deprimierendes und kein lebensechtes Gemüse. »Wir haben Markenartikel gekauft!« verkündete Mark stolz, als ich die Tür in einem Anfall von Begeisterung öffnete. »Alles völlig sicher und andauernd in der Werbung zu sehen.«
    »Sag's mir«, wiederholt Anna-Louise am anderen Ende der Leitung.
    Zurück zu dem Telefongespräch. Zurück zu ihrer Bitte, ihr zu sagen, warum ich sie unter allen anderen auserwählte. »Das ist nur recht und billig«, erwidere ich. »Ich habe mir gelobt, den Menschen, die mir etwas bedeuten, so gut ich es vermag, die Wahrheit zu sagen. Hast du je Briefmarken gesammelt?«
    »He? Nein. Was haben Briefmarken mit alledem zu tun?« »Sehr viel. Es ist wichtig, Anna-Louise. Dies ist die Wahrheit.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Also dann, Briefmarken. Es gibt vielleicht hundert von diesen winzigen Ländern rund um den Globus, die ungefähr achtzig Prozent ihres Bruttosozialprodukts daraus beziehen, daß sie jungen Leuten in den Industrienationen, die noch nicht einmal Teenager sind, Briefmarken verkaufen. Kein Gag ist blöd genug, um auf dem Teenager-Markt Fallstricke auszulegen - Briefmarken mit Hologrammbildern von Comic-Figuren auf laserbedruckter Goldfolie, die singen, wenn man daran reibt. Briefmarken mit gebührenfreien Telefonnummern. Jeder nur mögliche Quatsch.
    Ich habe natürlich Briefmarken gesammelt und fein säuberlich in mein Album geklebt, übte mich in Fairness, während ich dabei geographische und witzige Fakten lernte wie beispielsweise, welche Länder Feldspat und Gerste exportieren. Aber ein Teil des Spaßes, Briefmarken zu sammeln, bestand darin, in Gedanken von einem Ort zum anderen zu reisen. Ich erachtete meine Sammlung als ein Verzeichnis aller Orte, die ich gern besuchen würde, wozu ich aber wahrscheinlich nie Gelegenheit haben würde - zu weit entfernt, zu teuer - wie auch immer, Orte, die ich nur in meinem Briefmarkenalbum aufsuchen konnte.
    Da war dieses eine Land, irgendein unseliges arabisches Emirat ohne Öl, das gab eine Serie von parfümierten Briefmarken heraus. Ich kaufte sie von der H. E. Harris Stamp Company aus Boston für neunundsechzig Cents. Und das Parfüm dieser Briefmarken durchdrang prompt mein gesamtes Album und versah es mit einem bis dahin fehlenden olfaktorischen Element - ein ganz eigener Geruch, so wie für jeden Lachs ein Ruß seinen eigenen Geruch hat; so wie dein Haus seinen eigenen Geruch besitzt.
    Und der Punkt dieser Geschichte ist der, als ich dich das erste Mal am Kopierer traf, sprachen wir zwar Telethonisch und so, aber das Parfüm, das du in dem Moment trugst - war der Geruch meines Briefmarkenalbums, der Geruch von Ländern, die ich immer bereisen wollte, aber glaubte, ich würde dazu nie die Gelegenheit haben. Es war, als trügest du die Welt in dir, in deinem Innern.«
    Schweigen am anderen Ende. »Anna-Louise?«
    »Ich bin dran.« Sie atmet durch. »Wovon hast du letzte Nacht geträumt?«
    »Das ist leicht. Ich habe geträumt, daß es wochenlang regnete und alles überflutet war und sich ein See in deinem Vorgarten bildete. Und eines Morgens landete ein Schwan auf deinem See.«
    »Schwäne sind Gebete, Tyler.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Und sag mir - worüber machst du dir in diesen Tagen Sorgen?« Sie klingt wie ein Kind, das um ein Glas Wasser bittet, weil es noch nicht ins Bett will.
    Ich überlege. »Ich mache mir Sorgen darüber, daß mein Körper viel zu schnell altert. Meine Augenbrauen werden dick und drahtig so wie die Haare, die mir aus der Nase wachsen. Warum hat uns niemand in der Schule vor einem solchen Zerfall gewarnt?«
    »Benutzt du immer noch dieses scheußliche Rasierwasser?«
    »Nein. Ich probiere gerade ein neues aus. Ich möchte modern riechen, wie eine Ausgabe von ›Vanity Fair‹. Und mein Haar ist wirr, ungekämmt - wie's von selbst fällt. Und zum ersten Mal für mich. Ich versuche mich zu ändern.«
    »Wie zu ändern?«
    Ich atme tief durch. »Verletzlich zu werden. Zu akzeptieren, daß ich jemanden brauche.«
    »Versuchst du mich zu manipulieren, Tyler?«
    »Anna-Louise, ich kann das, was ich getan habe, nicht ungeschehen machen. Ich habe einen Fehler begangen. Gestatte
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