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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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meisten Leute spielen in den Häusern, in denen sie aufgewachsen sind. Sogar die Träume von Leuten, die nach New York oder direkt ans Meer oder sonst einen coolen Ort gezogen sind, finden immer dort statt, wo sie aufgewachsen sind. Das Haus, in dem du gewohnt hast, als du klein warst, ähnelt deinem harten Kampf, aus deinem Leben was zu machen.«
    »Warum hast du dann keine Träume?«
    »Militär-Abkömmling. Wir zogen zu oft um, als ich klein war. Ich weiß nicht, wo mein Haus steht.«
     
    Am nächsten Tag.
    Bevor ich mich aus L. A. abseile, muß ich noch Souvenirs für die Bande daheim besorgen. Ich schlendere rüber zur Vine Avenue, wo es noch mehrere Sterne von Berühmtheiten und relativ wenige Freaks gibt. Hinter mir erhebt sich das gestapelten Eierkuchen ähnliche Capitol-Records-Gebäude, rund und völlig im Stil der 60er Jahre: die-Zukunft-hat-schon-begonnen-Architektur. Zu meinen Füßen befindet sich der Stern von John Lennon. Ich nehme aus meiner Gurttasche ein paar farbige Wachsstiftstümpfe, die von meinem gestrigen magischen Handel übriggeblieben sind: pflaume, wilderdbeere, mandarine, zitrone, waldgrün und himmelblau. Damit fahre ich dann in breiten regenbogenartigen Strichen über das Stück Papier und ziehe die Konturen von Lennons Stern nach.
    Meine Arme sind müde; mir fehlt's an Energie. Ich konnte vergangene Nacht nicht schlafen aufgrund all der Neuigkeiten und Veränderungen in meinem Leben. Merkwürdig - es gibt niemanden in dieser Stadt, mit dem ich meinen unternehmerischen Erfolg teilen könnte. Es gibt niemanden, den ich hier in Los Angeles kenne und mit dem mich mehr als ein paar Erinnerungen an halluzinatorische, unglückliche Wochen verbindet; und sogar die wenigen Leute, mit denen ich Erinnerungsfragmente teile, waren gestern nacht aus - Lawrence stellte sich für Aufnahmen in einem Esprit-Katalog vor und Mr. Moore war bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Also redete ich mit meinem Radio.
    Ich rubbele. Unter mir aus der ungeschlachten Dioxyd-Lagune des blechglänzend verstopften Hollywood Boulevards vernehme ich eine Feuerwehrnotruf-Alarmsirene. Inmitten der eingeklemmten Autos sehe ich jemanden, der aussieht wie Stephanie - vielleicht, vielleicht auch nicht, eine geklonte oder kopierte Stephanie - in einem roten Ferrari; vielleicht ist es auch nur jemand anderes, der auf eine Arbeitserlaubnis scharf ist.
    Nun ja.
    Stephanie hat getan, was sie tun mußte. Sicher, sie behauptet zwar, Ehrgeiz sei bescheuert, aber wer war denn nun der Ehrgeizige von uns beiden? Wie lange zuvor hatte sie ihre Reise geplant, um dorthin zu gelangen, wo sie jetzt ist? Was geht in ihrem Kopf vor? Ich habe keine Ahnung. Ihre Gedanken sind für mich bestenfalls ein auf eine schwarze Wand projizierter Film - die Bilder sind deutlich, aber es fehlt echtes Weiß. Hatte sie bereits eine Fahrt im Ferrari über den Hollywood Boulevard im Hinterkopf, als sie mich in jener ersten Nacht in Paris mit nach Hause nahm, als sie mich quasi für 'ne Packung Marlboro kriegte? Wie kann ich das je wissen? Trotzdem muß ich ihre langfristige Planung bewundern. Vielleicht gibt es da ein wertvolles Managementprinzip, das man unbedingt lernen sollte? Wie man aus Limonen Limonade herstellt, Mensch.
    Ich atme tief durch, beende meine Arbeit und lege die fertige regenbogenfarbige Pauszeichnung auf den kleinen Stapel zu den anderen. Ein Mann fragt, ob er eine meiner Rubbelzeichnungen kaufen kann, und ich sage, klar - damit kann ich mir dann ein Taxi zurück zum Mikroapartment nehmen, um mein Gepäck abzuholen.
    Während ich das Geld in die Tasche stecke, stütze ich meine Hand geistesabwesend auf John Lennons Stern, der sich den ganzen Morgen über in der Sonne aufgeheizt hat und dessen Messing heiß wie eine Herdplatte ist. Meine verbrannte Hand zuckt zurück, und der sich ausbreitende Schmerz wirkt wie Nadelstiche.
    Ich hebe die Hand gen Himmel und fuchtele wie bescheuert mit ihr im Wind hin und her. Fremde in vorüberfahrenden Autos winken zurück. Dann halte ich die versengte Handfläche an meine Zunge und lecke meine Wunde, auf Knien in der Mittagssonne. In meinen Ohren wird ein Geräusch vernehmbar, und dieses Geräusch ist der Klang der Farbe der Sonne.
     

61
     
    Am nächsten Tag.
    Den Schritten von Bechtols Angestellten wurde heute Morgen Pfeffer zugesetzt. Der Himmel über Seattle wird seit 9.00 Uhr von den unsichtbaren Fäusten der Militärübungen zerrissen und zerfetzt, von Flugzeugen, die in ihrem kreischenden
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