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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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Auswertungstabellen. Der Himmel draußen war schon schwarz, und sogar die Glasscheiben überfroren langsam. Wir waren beide froh, drinnen zu sein und nicht draußen, wo Kälte und Vollmond weniger begünstigte Seelen um Verstand und Leben brachten. Über unseren Köpfen knackte die Etage zwischen uns und dem Mann mit den 100 Haustieren und - Entschuldigung, Albert Lancaster - die Etage zwischen uns und Albert Lancaster. In Anna-Louises Kamin brannte ein kleines Feuer. Ich versuchte in Gedanken diese neue, schnittige, gereifte Anna-Louise mit der Ausführung, die ich zuvor gekannt hatte, in Verbindung zu bringen.
    Und während der nächsten Stunden hatten wir zudem eine Menge Gesprächsstoff - die Prügelei, die Hochzeit von Daisy und Murray, Eddie, Großmama und Großpapa, Kittykat und Norman (immer noch ohne Friedensvereinbarung) sowie alle unsere Freunde. Außerdem zeigte ich ihr das blaue Nylonspalier von Nähten über meinen »gottähnlichen Seitenmuskeln« und zuckte kitzlig zusammen, als Anna-Louise das Klebeband über der Gaze etwas abzog, um sich das Ganze etwas näher anzusehen.
    Und es war alles ganz nett. Aber vieles blieb unausgesprochen.
    Wir sprachen nicht über Los Angeles. Wir sprachen nicht über den Wald, den wir anlegen wollten, wenn wir im Lotto gewinnen sollten. Und den ganzen Abend über redeten wir nicht einmal Telethonisch. Und als es Zeit war zu gehen, wurde ich mit einem fröhlichen »Ciao, mach's gut und gute Besserung« sowie einem weiteren Küßchen auf die Wange zum Abschluß des Abends verabschiedet.
    Draußen auf dem Bürgersteig hatte ich das deutliche Gefühl, daß wir über einen Punkt unwiderruflich hinausgegangen waren, einen Punkt, nach dessen Überschreiten ich niemals wieder Gelegenheit haben würde, Anna-Louise bestimmte Dinge mit einer gewissen Intensität zu sagen. Darin lag ein unbestimmtes Gefühl von Verlust, aber auch von Erleichterung - Erleichterung darüber, ein Durcheinander vermieden zu haben, und, ich schäme mich fast, es zu sagen, die Erleichterung überwog das Gefühl von Verlust, und, weißt du - ich denke mir, Anna-Louise ging es genauso. Also nehme ich an, ich habe da etwas Wertvolles zerbrochen. Oder gegen was eingetauscht.
     
    Als Jasmines Wagen nicht anspringen wollte, war es natürlich schon spät. Und nachdem mich Anna-Louise wieder in ihre Wohnung gelassen hatte, mußten wir schnell feststellen, daß Lancasters Abschleppwagen die nächsten drei Stunden über mit Weihnachtsgejammer beschäftigt sein würde. Dasselbe galt für Taxis.
    Anna-Louise seufzte. »Bleib hier heute nacht, Tyler.« Ich sah sie an.
    »Auf dem Boden, Tyler, auf dem Boden.« Sie setzte sich auf den Hocker in der Nische zwischen Küche und Wohnzimmer, wo das Telefon stand, und kratzte an den Eisblumen am Fenster, das weit vom Heizkörper entfernt war. »Tyler, ich wollte keine Süßigkeiten, ich wollte dich. Und du hast meine Gefühle verletzt. Sicher, ich werde es überleben. Und ich verzeihe dir, okay? Aber lassen wir es ein bißchen ruhen. Du hast in mir einen Freund fürs Leben, Tyler, und du kannst mir absolut alles sagen, was du willst, und du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben. Aber du wirst doch auf dem Boden schlafen. Ich werde dir jetzt ein paar Kissen und Decken holen.«
     

67
     
    Und so liege ich hier auf dem Boden.
    Und Anna-Louise schläft im Bett über mir, ihr schmales, jetzt erwachsenes Gesicht in ein Kordsamtkissen geschmiegt. Und sie wirkt gleichzeitig so jung und so alt, und träumt, wie ich sie kenne, von Integralrechnung und verstorbenen Freunden und Bäumen und Blumen und von ihrer Flucht eines Tages, wie die Flucht, die ich einst unternahm, in die große Stadt - dorthin, wo es viele Männer gibt, die keine Probleme damit haben werden, sie so liebenswert zu finden, wie ich sie in diesem Moment finde.
    Jawohl, ich liege auf dem Boden. Das ist die Neue Ordnung. Und es ist gut so. Jedenfalls kann ich nicht schlafen, während ich Anna-Louise in ihrem tiefen Schlaf lausche und die Träume in ihrem Geist träume - diesem kleinen, mit Blumen vollgestopften, nein verstopften Ort - Blumenträume inmitten all ihrer Blumen. »Wovon«, flüstere ich ihrem Ellbogen zu, der von der Matratze über meinem Kopf hervorragt, »träumst du wohl gerade, Anna-Louise?«
    Während ich hier so auf dem Boden liege, an einer Cola nuckele und an die Decke starre, mache ich einen Abschluß-Haben und Soll - eine Bilanz. Welche Geheimnisse habe ich in den vergangenen Monaten
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