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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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Sie rennt nachts endlos auf dem Dach hin und her, tak-tak, tak-tak... Gibt es da oben Mäuse? Macht der Mond Katzen verrückt?«
    Jasmine gibt keine Antwort, da sie gerade mit Kittykats kleiner weißer Tatze Pfötchengeben spielt. Die beiden teilen ein Geheimnis. Und nichts wird sich ändern, egal, was Jasmine sagt. Kittykat wird weiterhin auf dem Dach hin und her laufen, und ich werde das Geheimnis nie erfahren.
    »Wolltest du mich nicht um einen Gefallen bitten?«
    »Gleich.«
    Wir sitzen vor dem Fernseher, während das Geschmuse mit Kittykat immer weitergeht. Schemenhaft zeichnen sich auf dem Bildschirm die Umrisse eines Dritte-Welt-Bildes ab und ich zappe sofort auf ein anderes Programm.
    »Du solltest nicht so große Angst davor haben, arm zu sein, Tyler«, sagt Jasmine. »Du ziehst die Armut nur auf dich, wenn du vor ihr davonläufst.«
    Das ist der Grund dafür, daß ich lieber allein fernsehe: keine irritierenden Störungen. Mit anderen Leuten fernsehen ist irgendwie peinlich - du fühlst dich fast wie im Schaufenster -, wie wenn du mit 'nem gläsernen Fahrstuhl fährst.
    »Mama, geh und bete deine Kristalle an. Armut ist zum Kotzen. Ich werde keine Armut an mich ranlassen.«
    »Aus welchem Grund nimmst du eigentlich an, Geld sei so toll, Tyler?«
    »Wenn Geld nicht so toll ist, warum behalten es reiche Leute dann ganz für sich allein?«
    »Vielleicht täte es dir mal ganz gut, für eine Weile arm zu sein.«
    Ich stelle den Ton des Fernsehers ab, um über ihre ganze Aufmerksamkeit zu verfügen. »Erde an Mutter, Erde an Mutter. Arme Leute essen lausige Sachen. Sie rauchen. Um ihre Häuser herum stehen niemals Bäume. Sie haben zu viele Kinder und sind ewig von schreienden Babys umgeben. Sie mißtrauen gebildeten Leuten. Kurzum, sie lieben alles, was sie in Armut hält. Denk arm; sei arm. Ich nicht.«
    »Ich kann es nicht fassen, daß mein Sohn so herzlos ist. So mitleidlos. So unreif.«
    »Nenn mich ruhig unreif.« Ich drehe den Ton des Fernsehers wieder an, aber ich kann nur noch daran denken, daß meine Mutter findet, ich sei ein mieser Typ. Ich kann mich nicht konzentrieren, und ich glaube, sie auch nicht.
    Ich will es wiedergutmachen. »Es ist nicht die Armut, die mich ausflippen läßt, Mama, sondern die Frage, was geschieht, wenn sich die Welt jemals verschlechtern sollte. Es gibt keine Sicherheitsnetze. Keine Weisheit. Nur Furcht. Furcht und Brandmale.«
    »Ich möchte, daß du Dan für mich besuchst.«
    »Hmm?«
    »Nur einmal. Besuch ihn und sieh dir an, wo er lebt, und dann erzählst du mir, was du gesehen hast. Das wird ihn mir schneller von der Seele nehmen. Vertrau mir. Du ersetzt mir jetzt Augen und Ohren, Tyler. Bist mir Arme und Beine.«
    Ich weiß, Jasmine hat sich immer Sorgen um mich gemacht. Unruhige Teens. Aber plötzlich ist irgendwo ein samtbezogener Schalter gedreht worden und jetzt mache ich mir die ganze Zeit Sorgen um Jasmine. Wann ist das geschehen?

7
     
    »Du siehst wunderbar aus, Tyler.«
    »Nein, du siehst wunderbar aus, Anna-Louise.«
    »Tyler, du bist fabelhaft. Wahrhaftig fabelhaft. Hör auf, so fabelhaft zu sein. Hör einfach auf.«
    »Ich liebe dich, Anna-Louise. Aus tiefstem Herzen möchte ich, daß du weißt, wie sehr ich dich liebe, Anna-Louise.«
    Wir küssen uns.
    Anna-Louise und ich unterhalten uns in telethonisch , in der Art dieser sülzenden Telethoner. So lernten wir uns letztes Jahr am Lancaster Community College kennen. Sie hing am Kopierer fest, um Hunderte von Kopien zu machen, und ich brauchte nur drei, also ließ sie mich vor. Ich sagte ihr, daß sie fabelhaft sei, und sie sagte mir, ich sei noch viel fabelhafter, und dann, na ja, dann uferte es irgendwie aus. Telethonisch ist eine Frage der Beschleunigung: »Anna-Louise, all die Arbeit, die du dir für diese Kinder machst. Es ist... wunderschön.«
    »Komm schon, laß uns hören, wie die Telefone zu klingeln anfangen.«
     
    Anna-Louise kennenzulernen war, wie wenn du auf dem Boden des Supermarkts den Einkaufszettel eines Fremden findest und feststellst, daß es andere, interessantere Diäten gibt als deine eigene. Zum ersten Mal im Leben fühlte ich mich unvollständig.
    Die meisten Leute mögen Anna-Louise, weil sie so normal wirkt: Durchschnittsnote 3+, Kordhosen, weizenfarbene Kurven und die Fähigkeit, mit Computerfreaks klarzukommen. Aber das ist bloß das Äußere. Ich denke eher, sie ist ein außerirdisches Wesen, gefangen in einem Dummy aus Fleisch, das nur darauf wartet, daraus auszubrechen.
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