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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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Sicherheit zu bringen. »Oh, diese Gören. Ich fühle mich durch sie so alt, Tyler. Nicht gerade das, was ich im Moment brauche.«
    »Setz dich«, biete ich ihr an. »Was zu trinken?«
    »Danke. Ich glaube, ich brauche etwas.«
    Ich lange von meiner ultramodernen L-förmigen Schaumstoffcouch aus rüber, von der aus ich per Fernbedienung versucht habe, im TV-Spätprogramm noch was Spannendes zu ergattern, und stöbere in meinem schnittigen, italienischen Minikühlschrank nach einem Bier für Jasmine.
    Jasmine sitzt im rechten Winkel zu mir, in der klassischen Talkshowmaster/Stichwortgeber-Position. Spritzend öffne ich das Bier und gebe es ihr. »Wie lautet das Urteil über die neuen Frisuren?« frage ich sie, wobei es um Daisys und Murrays brandneue blonde Dreadlocks geht, die während des heutigen Abendessens, kurz nach Jasmines und meiner Rückkehr von den Fotoaufnahmen im Kürbisfeld, enthüllt worden sind. Sie haben sie mit so einer Art halblöslichem Jell-O hingekriegt. Das Gelatineprotein löst dabei das Haarprotein auf; vollständiger Haarausfall wird dadurch vermieden, daß man nach einiger Zeit Ananassaft darüberkippt.
    »Was soll ich groß dazu sagen? Deinem Vater reichte das Haar bis zum Steißbein. Aber ich finde, Daisy geht mit ihrem Gewese um die Sechziger zu weit. Ich meine, will sie denn kein Jetzt haben? Außerdem bin ich erstaunt, wie sie es schafft, sich jedes männlichen Singles in Lancaster mit einer Jesusfrisur anzunehmen. Ich meine, wir leben in einer Kleinstadt, Tyler. Was ist bloß los?«
    »Sie sind die McDead, Jasmine. Die Sechziger sind für sie so 'ne Art Vergnügungspark. Sie tragen das Kostüm, kaufen ihre Eintrittskarte und haben das Erlebnis. Ihr Haar ist vielleicht lang, aber es duftet herrlich. Ich muß es wissen. Daisy benutzt meistens mein Shampoo.«
    Jasmine trinkt einen Schluck von ihrem Bier und greift nach einer meiner »Young Achiever« Zeitschriften. »Dein Abonnement muß bald abgelaufen sein. Willst du eine Verlängerung zu Weihnachten?«
    »Sehr gern.«
    »Was ist das hier... ›Entrepreneur‹? Willst du dafür auch ein Abonnement?«
    »Aber bitte mit Ketchup darüber.«
    Jasmine blättert den hinteren Teil eines »Cadillacs-and-Dinosaurs«-Comics durch und läßt zerstreut den 100seitigen Würfel kullern, den mir mein Kumpel Harmony zu Weihnachten geschenkt hat. »Tyler«, sagt sie, »ich möchte, daß du mir einen Gefallen tust.«
     
    Ich nenne mein Zimmer das Modernarium, es ist der einzige Raum im Haus, in den Jasmines Hippie-Buntglas-Dekorations-Sensibilität nicht durchsickern durfte. Keine gerupften Spinnengewächse. Keine deprimierenden Teelichter. Keine schauerlichen Regenbogen-Nippes. Nur äußerst geschmackvolle schwarze Sofaelemente, ein Fernseher und eine CD-Anlage, eingebaut in den mannshohen »Unterhaltungs-Totempfahl« (schwarz), ein unglaublich geschmackvoller, unzotteliger Teppichboden (grau), ein Futon (grau-weiß gestreift), der bereits erwähnte italienische Minikühlschrank (grau), ein Computer (naturweiß - im Katalog steht »eierschalenfarben«), Bücher und Kassetten, eine Uhr (schwarz), meine Globussammlung auf dem Tisch am Fenster (genannt: die Globus-Farm) und ein Spiegel, in dessen Mitte ein leuchtend roter, total begehrenswerter Porsche abgebildet ist. Die Wände sind grau. Alle Verzierungen wurden neutralisiert. Es ist - ja - stark.
    Ich habe auch mein eigenes Badezimmer, ein kleines Bad mit Dusche und meiner umfassenden Sammlung schöner Haarpflegeprodukte, die Jasmine mein »Shampoo-Museum« nennt und meine Freundin Anna-Louise meine »Müllhalden-Anfängerausrüstung«. Trotz ihrer Bosheit fällt mir immer wieder auf, daß sie wie Daisy keinerlei Schuldgefühle dabei entwickeln, von mir Gel, Schaumfestiger, Schaumpackungen, Lotionen, Haarfestiger, Conditioner oder Spülungen auszuleihen, wenn ihre eigenen Vorräte aufgebraucht sind.
    Ja, stimmt, ich wohne noch zu Hause, aber wer nicht? Und außerdem muß ich mein Geld sparen - zwecks Grundlagenbildung-, meine Fähigkeiten entwickeln, meinen Marktwert steigern, und dieses ganze Tun nimmt Zeit in Anspruch und befreit von Armut. Armut. Igitt. Wie ein heulender und mit den Pranken an meiner Tür kratzender Wolf kommt sie immer näher auf mich zu.
     
    Kittykat, orange und weiß wie ein Eis am Stiel, schleicht durch meine angelehnte Tür, streicht über den Teppich und springt für eine schnelle, höchst vergnügliche Massage auf Jasmines Schoß.
    »Kittykat macht mich wahnsinnig, Jasmine.
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