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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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Anna-Louise kann Münzen aus meinem Ohr zaubern. Nachts gehen wir zusammen los und retten Topfpflanzen, die die Leute vor die Tür oder auf den Balkon gestellt haben. Wenn wir beide Eier essen und Anna-Louise einen kleinen Splitter Eierschale verspürt, muß sie sich übergeben, wie neulich im International House of Pancakes, auf der anderen Seite der Grenze, in Idaho. Im letzten Frühling bin ich Anna-Louise einmal heimlich in die Stadt gefolgt und habe mich bemüht, sie so zu sehen, wie sie wohl ein Fremder sehen mochte; ihre jungen Beine wirkten so zart unter dem Schottenröckchen, und das Wetter war so schön, als sie plötzlich unter dem klaren blauen Himmel die Hand ausstreckte, als hätte sie gerade einen Regentropfen abbekommen. Stell dir vor.
    Ich stelle mir vor, ich pflanze Ableger von Anna-Louises Haar aus, wie die feinen Stiele getrockneter Blumen, und sehe zu, wie Sonnenblumen daraus erwachsen. Ich stelle mir vor, ich vergrabe einen Taschenrechner mit flüssigen Kristallen, die ihren Namen buchstabieren, und sehe zu, wie die Erde tosende Blitze abschießt. »Wir sollten zusammen ein Fischrestaurant eröffnen«, sagt Anna-Louise, wenn sie mich quälen will. Das ist Liebe.
     
    Der Unterricht ist zu Ende, und Anna-Louise schmilzt in den schwarzen Sitz meines Nissans, alias: Comfortmobile, und fingert an der Pik-Dame-Spielkarte herum, die sie an einem Schnürsenkel um den Hals trägt; ein Stück Tand, das ich letzten Samstag für sie gebastelt habe. Sie badet mich in warmen, zuckerfreien Kaugummischwaden, während wir vom Haupteingang des Colleges wegdonnern.
    »Himmel, was für ein häßliches Gebäude«, sagt sie, während das Hauptgebäude von Lancasters Community College in der Ferne verschwindet, »zweifellos von einem Mann entworfen.«
    Sie hat recht. Lancaster Community College ist aus brutalen Zementwürfeln der 70er Jahre zusammengebaut und sieht aus wie ausrangierte Airconditioner, die durch den feinmaschigen Steg einer Goldhamsterrolle verbunden sind. Die Fassade des Instituts wird von etwas verziert, das so aussieht wie ein zehntrillionenmal vergrößertes und aus stählernen Dodekaedern gebautes Lexanmolekül, ähnlich der Kunst am Bau, wie sie seinerzeit im kommunistischen Deutschland außen an den Stasi-Zentralen zu sehen war.
    »Trostlos wie ein Byte«, räume ich ein.
    »Nicht mal halb so. Wenn du je vorhast, einen Film über eine trostlose, trübselige Zukunft zu drehen, hast du hier die Kulisse.«
     
    Studium.
    Anna-Louise studiert Handelslehre im zweiten Jahr. Ich bin im zweiten Jahr meines Hotel/Motel-Management-Studiums, und wir sind beide am Lancaster Community College immatrikuliert: eine Intellektuellenfabrik für Welpen, das Harvard von Benton County.
    Ich denke, eine Hotel/Motel-Karriere hat noch Zukunft. Ich mag Hotels, weil du in einem Hotelzimmer keine Geschichte hast, sondern nur ein Wesen. Du hast das Gefühl, daß in dir ein großes Potential steckt, das nur darauf wartet, neu beschrieben zu werden, wie ein frisches, leeres, 8'/: x 11 Inch großes weißes Blatt Papier. Vergangenheit gibt es nicht.
    Vor zehn Jahren, damals war ich zehn und Daisy acht -kurz nachdem John Lennon ermordet worden war und Jasmine im County General Hospital Mark warf -, schleppten Großmutter und Großvater Daisy und mich mit sich in ein Hotel auf Hawaii. Wir landeten spät abends in Honolulu, und ich sank in einen tiefen, nach Blüten duftenden Schlaf, während wir die Kalakaua Avenue hinunter nach Waikiki fuhren. Ich kann mich erinnern, als ich am nächsten Morgen aufwachte und die Treppe hinunter in die Halle ging, hatte ich ein Gefühl von Freiheit und Befreiung, das bis heute kaum übertroffen werden konnte. Eine pazifische Brise strich mir über die marshmellowweiche Festlandhaut, und ich stellte fest, daß das Hotel keine Türen hatte, ein Aspekt, an den ich mich vom Vorabend her gar nicht erinnern konnte. Stell dir bloß vor - ein Hotel ohne Türen. Es gibt sie. Und seit der Zeit sind für mich Hotels tatsächlich die idealen Aufenthaltsorte.
     
    Anna-Louise und ich segeln über die haferfarbenen Ebenen, behaglich in meinen kleinen Wagen gekuschelt, und inhalieren heiße Elektronik-Melodien, gesungen von deprimierten britischen Kids. Wir sausen durch die sonnige Luft, vorbei an Wäldchen scharlachroter Bäume, umzäunten Feldern mit schnaubenden Pferden, und der 70-mm-Himmel über uns ist weit und blau wie auf einem vor wenigen Momenten vervollständigten Puzzlespiel.
    »Oh, Tyler, hast du
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