Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
gewesen anzunehmen, er wäre allein. Was hatte er wohl noch übersehen, in diesem Raum, in dem es vor Verstecken nur so wimmelte? Die gewaltigen Fensterstores, ein großer Kleiderschrank, selbst der Platz unter dem Bett.
    Die Frau vor ihm blieb regungslos stehen. Sie wirkte kalt und grau wie eine dürre Statue. Es fiel Artur schwer, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren; seine Kopfschmerzen strahlten bis in seine Augen aus und blendeten ihn mit kurzen, grellen Blitzen.
    »Wer sind Sie?« Er bemühte sich, deutlich zu sprechen.
    Ein Lächeln spielte um die schmalen Lippen der Frau. »Das ist immer die erste Frage. Mir fallen so viele andere ein, die nützlicher wären, intelligenter.«
    Artur schloss kurz die Augen. »Wenn Sie nach Intelligenz suchen, haben Sie den falschen Mann aus seinem Haus entführen lassen.«
    Das Lächeln verstärkte sich. »Wie nett. Ein russischer Klugscheißer. Gefällt mir.«
    »So etwas Ungewöhnliches kann ich ja wohl kaum sein.« Artur strich mit den Händen über das Fußende des Bettes. Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Sie sind etwas vollkommen Ungewöhnliches. Und bitte, ersparen Sie sich die Mühe. Sie werden in diesem Raum nichts über mich oder meine Geschäftspartner entdecken. Selbst meine Schuhe sind neu. Und sehr unpersönlich. Die einzigen Menschen, die diesen Raum bisher betreten durften, haben keine direkte Beziehung zu meinem Leben oder meiner Organisation. Also ist Ihre Gabe hier nutzlos.«
    »Ich könnte Sie berühren«, drohte Artur. Es ärgerte ihn, dass die Frau so viel über ihn wusste. Vermutlich war das Tatyanas Schuld. Zweifellos hatte diese Frau diese Männer zu seiner ehemaligen Geliebten geschickt. An Zufälle glaubte er nicht, und es spielte auch keine Rolle, dass er bereits von Tatyanas Verrat wusste; es war höchst beunruhigend, sich der Tatsache gegenüberzusehen, dass seine Feinde - und das war diese Frau eindeutig - seine Geheimnisse kannten und bereits gegen ihn verwendeten.
    »Mich berühren?« Das schien sie zu amüsieren. »Natürlich. Das wäre allerdings geschummelt. Einige Dinge muss man sich schwer erarbeiten, Mr. Loginov, zum Beispiel die Wahrheit. Oder gewisse ... Belohnungen.«
    »Belohnungen.« Artur fixierte sie mit einem scharfen Blick. »Wer sind Sie? Und für wen arbeiten Sie?«
    Die Frau legte den Kopf auf die Seite, es war eine knappe, präzise Bewegung. Sie erinnerte ihn an den Serienmörder, kühle Einschätzung und rücksichtslose Berechnung, versteckt hinter der Fassade eines menschlichen Gesichts.
    »Sie können mich Miss Graves nennen«, erwiderte sie schließlich. »Ich repräsentiere das Konsortium.«
    »Von Ihrer Organisation habe ich noch nie gehört«, gab Artur zurück. Vor allem deshalb, weil ihr Unterton anzudeuten schien, dass er den Namen kennen sollte. Bedauerlicherweise schien seine Antwort sie aber zu freuen. Arturs Unbehagen wuchs ebenso wie das Übelkeitsgefühl. Er wollte sich hinlegen. Sein Schädel fühlte sich an, als würde jemand Nägel in seine Halswirbelsäule schlagen.
    »Ich habe Sie hergebracht, damit Sie einen Job erledigen«, erklärte Miss Graves. »Das Konsortium engagiert Männer wie Sie.«
    »Nein«, stieß Artur heraus.
    »Also wirklich, was für eine schnelle Entscheidung. Dabei haben Sie erst so wenig gehört. Ich wusste nicht, dass Neugier unter den bekehrten Kriminellen so selten ist. Ganz zu schweigen von der vielen Arbeit, die es gekostet hat, uns Ihrer Dienste zu versichern und es Ihnen in Ihrer neuen Umgebung gemütlich zu machen. Da werden Sie uns doch sicherlich einen Augenblick ertragen können.«
    Nein, das konnte er nicht. Artur hatte keine Zeit für Geduldsspiele, schon gar nicht mit einer Frau, die Serienmörder benutzte, um ihn aus seinem Haus entführen zu lassen. Er sprang auf sie zu, mit ausgestreckten Händen. Er konnte jedoch nur einen Schritt machen, als sich eine Waffe auf sein Gesicht richtete. Sie hatte sie sehr schnell gezogen; Artur hatte nicht einmal gesehen, wie sie sich bewegte.
    Sie wirkte vollkommen gelassen. »Man hat mir erzählt, dass sie ein geduldiger Mann sind. Emotionslos und berechnend. Jetzt beginne ich zu glauben, dass meine Quellen sich geirrt haben.«
    Tatyana. Artur kämpfte dagegen an, sich zu erbrechen. Die schnelle Bewegung hatte ihn fast außer Gefecht gesetzt. »Ich bin ein Opportunist, ein Überlebenskünstler. Wer auch immer mit Ihnen gesprochen hat, er scheint das auch unterschlagen zu haben.«
    »Nein. Ich habe einfach nur mehr Selbstbeherrschung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher