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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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mit denen sie zusammenarbeiteten: prahlerische Männer, mit großen Gesten, großen Geschenken, großen Wagen, großer Gewalt - und dann die ruhigen, aufmerksam und intelligent, Männer, denen Gesten nichts bedeuteten, die endlos warten konnten, geduldig, weil sie wussten, dass alles, was sie taten, wie ein Uhrwerk auf den unvermeidlichen Erfolg zutickte.
    Ruhig jetzt. Er erinnerte sich daran, wie Nikolai Petrovona das flüsterte, wenn einer seiner Brüder wütend wurde, weil man ihm nicht erlaubte, sich seinen Teil aus einer neuen Waffenlieferung abzuzweigen. Ruhig jetzt. Sachte.
    Diese Graves war genauso. Eine »stille« Frau, »sanft«, mit genug Schärfe, um von ihrem kalten, gelassenen Kern abzulenken. Sie war sehr gefährlich und schwer zu berechnen. Er beobachtete ihre Waffe und überlegte, ob er noch genug Zeit hatte, sie zu berühren, ein einziges Mal, bevor er starb. Eine letzte Vision der Wahrheit.
    »Wie schade«, sagte Graves und schoss Artur mitten in die Brust.

3
    Was Entführungen betrifft, so muss die meine für die Kidnapper sicher ein Kinderspiel gewesen sein, dachte Elena. Was nicht heißen sollte, dass sie viel Erfahrung mit solchen Dingen gehabt hätte. Aber sie sah sich Filme an. Science-Fiction-Filme, in denen schauderhafte Männer in dunklen Anzügen irgendeinen armen, einsamen Freak aufs Korn nahmen und eine zweistündige Verfolgungsjagd anzettelten, voller dramatischer Szenen, in denen das Opfer nur knapp entkam, unter lauten Explosionen. Viel Rauch und Donner und Gebrüll. Danach lebten alle glücklich und in Frieden weiter.
    Das hier jedoch war kein Film, und Elena konnte auch nicht weglaufen. Außerdem bekam sie kaum Luft, und ihr Herzschlag wollte sich einfach nicht beruhigen. Das waren schlechte Anzeichen. Sie beugte sich vor und erbrach sich auf die Schuhe ihres Entführers.
    »Scheiße!«, rief er und bewegte hektisch den Fuß. Elena fand, er konnte noch von Glück sagen, dass es nicht wirklich Exkremente waren, und überlegte, ob sie das bei der nächstbesten Gelegenheit ändern sollte.
    Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Jetzt jedenfalls wurde sie in einem Rollstuhl durch einen langen Betonkorridor geschoben. Sie war noch zu benommen, um Einzelheiten zu erkennen, und nahm nur die kalte Luft und die grellen Lichter wahr - und dass ihr fadenscheiniger Krankenhauskittel keinen Schutz gegen beides bot. Sie konnte durch das dünne Tuch sogar ihre Zellulitis sehen. Vielleicht war es auch nur eine Gänsehaut. Wenn sie gestresst war, konzentrierte sie sich immer auf die verrücktesten Dinge.
    Die Männer, die sie durch den Flur schoben, waren nicht dieselben, die sie entführt hatten. Jedenfalls glaubte sie das, denn es war schwer zu sagen. Sie sahen groß und hart aus. Wenn Elena sie besiegen wollte, musste sie sich in einen richtigen knallharten Typ verwandeln: eine Kill-Bill-Braut, in eine Buffy oder eine Xena. Vielleicht auch in die Rote Sonja. Sie würde einen Schlachtruf ausstoßen, ihr Schwert schwingen und ein bisschen ausflippen. Mach sie kalt, Mieze, mach sie fertig.
    Sie blieben vor einer grünen Tür stehen. Elena gab sich keine Mühe, ihre Übelkeit zu unterdrücken. Nadeln schienen in ihren Augen zu rotieren, als sie sich vorbeugte, auf den nächstbesten Mann zielte und erneut spuckte. Es war ein Nebel aus perfekten Streugeschossen. Manchmal liebte sie sich wirklich. Die heiseren Flüche des Mannes klangen wie Musik in ihren Ohren.
    Die Tür öffnete sich, und sie stießen sie unsanft hindurch. Einen Augenblick lang sah sie nur Weiß, überall Weiß, um einen langen Edelstahltisch hemm, der mit Lederriemen und Schnallen bedeckt war.
    Das ist schlecht.
    Neben dem Tisch stand ein alter Mann, um dessen Hals ein Stethoskop hing. Er hatte geradezu klinische Augen, diesen ungeduldigen, kritischen Blick, den Mediziner erst nach langen Jahren harter Arbeit und selbstgefälligen Analysen bekommen. Das Wort Arzt hätte ihm auch auf die Stirn gestempelt sein können.
    Die Männer zerrten Elena aus dem Rollstuhl und zogen ihr den Krankenhauskittel aus. Sie versuchte, sich zu wehren. »Keine Angst, meine Liebe«, erklärte der Arzt. »Das hier ist eine medizinische Einrichtung. Mit Pflegern und Ärzten, so wie Sie es gewöhnt sind.«
    Elena war zu aufgeregt, um über seine Worte lachen zu können. Prüfend musterte der Arzt ihr Gesicht.
    »Faszinierend.« Seine Stimme klang beinahe ehrfürchtig. »Wirklich. Ich bin ziemlich erfreut, Sie kennenzulernen, Miss Baxter.
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