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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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erwartet.« Die Frau bedeutete Artur, sich aufs Bett zu setzen. »Bitte, machen Sie es sich bequem. Sie sehen aus, als würden Sie gleich ohnmächtig werden.«
    Artur blieb stehen. Miss Graves seufzte und ging gelassen ein paar Schritte nach links, wo sie sich anmutig auf den Rand eines tiefen, mit rotem Samt bezogenen Lehnstuhls setzte. Der Raum wirkte allmählich wie ein blutendes Herz auf Artur. Vielleicht sein eigenes, wenn er nicht vorsichtig war.
    Graves ließ die Pistole auf ihr Knie sinken, hielt die Mündung jedoch fest auf ihn gerichtet.
    »Normalerweise nehme ich mir Zeit für Nettigkeiten und Erklärungen, genug Zeit, um jemandem seine erwünschte Rolle schmackhaft zu machen. Sie sind jedoch anders, Mr. Loginov. Bei Ihnen sind Behaglichkeit und Süßholzraspeln überflüssig. Sie kennen die Wahrheit bereits, wissen, dass Sie nicht allein auf der Welt sind. Sie sind daran gewöhnt, Ihre Gabe gegen Geld einzusetzen. Das gefällt mir an Ihnen. Denn es erleichtert mir meine Aufgabe.«
    »Sie haben einen recht zweifelhaften Geschmack.«
    Sie lachte. Es klang scharf und spröde. »Mein Geschmack ist vollkommen.«
    »So vollkommen, dass Sie einfach davon ausgehen, ich würde Ihr geheimnisvolles Angebot annehmen, obwohl ich nichts von Ihrer Organisation weiß? Außer, natürlich, dass sie verachtenswert sein muss? Wie charmant naiv.«
    »Das sind nur Haarspaltereien, Mr. Loginov. Außerdem nenne ich Ihre Anwesenheit hier eine Einladung, Risiken einzugehen. Und zwar, weil Sie darauf setzen können, dass Sie Vorteile, Macht und auch finanziellen Gewinn erzielen können. Sie machen wohl schwerlich einen Fehler, wenn Sie all das in der Tasche haben.«
    »Und was ist mit Ethik? Können Sie wirklich eine Organisation verteidigen, die einen Serienmörder engagiert, um jemanden aus seinem eigenen Haus zu entführen?«
    »Ein müßiges Argument. Das Konsortium tut, was eben nötig ist. Wir glauben an Garantien, die uns unsere ausgesuchten Mitarbeiter durch ihre natürlichen Fähigkeiten geben. Unsere Methoden funktionieren schon recht lange ganz gut. Und Ihr Profil gibt uns keine Veranlassung, von diesem Muster abzuweichen.«
    »Was für eine Organisation betrachtet Gewalt als >Garantie    »Dieselbe Organisation, für die Sie früher schon gearbeitet haben - und jetzt auch arbeiten.«
    »Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden«, erwiderte Artur.
    »Das sehe ich anders. Ich glaube, ich verstehe Ihre gegenwärtige Lage ganz ausgezeichnet. Ich darf Ihnen versichern, Mr. Loginov, das Konsortium unterscheidet sich keineswegs so sehr von Ihrem jetzigen Arbeitgeber. Wir heucheln nur einfach nicht, wie Ihre geschätzten Dirk und Steele. Wir verstecken uns nicht hinter einer akzeptierten gesellschaftlichen Fassade, um unsere Macht ausüben zu können. Wir recht-fertigen die Nutzung unserer Mittel nicht mit dieser optimistischen Heuchelei.« Graves spie die letzten Worte hart hervor. »Ach, das schockiert Sie? Also wirklich! Haben Sie tatsächlich geglaubt, Ihre Organisation wäre die einzige ihrer Art?«
    Artur brauchte einen Moment, bis er seine Sprache wiederfand. Es fiel ihm schwer, im Angesicht seines schlimmsten Albtraums zu sprechen, während der erbarmungslose Blick einer Fremden seine kostbarsten Geheimnisse enthüllte. »Wie haben Sie uns gefunden?«, stieß er schließlich hervor. Seine Stimme klang müde und ausgelaugt.
    Graves lehnte sich in dem Sessel zurück und sah ihn gelassen und furchtlos an. »Das war unausweichlich. Die Welt ist zu klein für das, was wir tun — und das, was wir sind. Wir haben Sie einfach zuerst gefunden, das ist alles.« Sie schüttelte den Kopf und tippte sich mit einem blassen, knochigen
    Finger ans Kinn. »Genau genommen war es Chinatown, Mr. Loginov. Wen Zhangs Mörder. Dirk und Steele hätten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollen. Sie haben uns viel Geld gekostet.«
    Es war Chinatown. Wen Zhangs Mörder. Mein Gott, jetzt ergibt das alles einen Sinn. Erinnerungen fluteten über ihn hinweg: an diese schrecklichen Tage, als so viele Mitglieder der Agentur beinahe eine ihrer liebsten Freundinnen verloren hätten. Wen Zhang war der Kopf einer großen Verbrecherorganisation in New Yorks Chinatown gewesen, der vor einem Jahr versucht hatte, Nancy Dirks Enkelin Dela Reese zu ermorden. Er hätte es fast geschafft.
    Die große Matriarchin der Gestaltwandler, die Drachenfrau Long Nü, hatte Wens Aktionen schließlich endgültig den Riegel vorgeschoben, aber erst, nachdem er Delas
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