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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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manchmal Worte in ihrer Umgebung, die anders waren, unverständlich. Aber sie wurde nicht missbraucht. Das war alles, was sie interessierte.
    Er trug seine Handschuhe. Seine eigenen Handschuhe, nicht irgendein neues Paar. Er merkte es an dem Gefühl des Leders, seiner Dehnung, dem vertrauten Trost seines eigenen Widerhalls. Doch dass er seine eigenen Handschuhe trug, wirkte irgendwie unstimmig. Artur erinnerte sich daran, dass er sie ausgezogen hatte, als er nach Hause kam, und sie auf den Tisch gelegt hatte.
    Er zog einen Handschuh aus und befühlte ihn, spürte aber nichts. Keine Spur von dem Mann, der ihn in seinem Haus angegriffen und ihm dann seine Handschuhe angezogen haben musste.
    Braunes Haar, grüne Augen. Die Identität des Mannes war eindeutig. Es war derselbe Mann, der Marilyn und andere, vielleicht viele andere, ermordet hatte. Außerdem hatte er Artur so mühelos außer Gefecht gesetzt, wie man Luft holte. Der Serienmörder war absichtlich zu ihm gekommen. Er wusste Bescheid. Jemand hatte ihm einen Job gegeben, und dieser Job war Artur.
    Er hatte noch eine Aufgabe zu erledigen, noch eine Aufgabe, bevor er untertauchte. All diese Morde, die am Ende ... zu mir führen.
    »Bozhe moy«, murmelte Artur erstaunt, entsetzt. Mein Gott, es ergibt keinen Sinn! Wer sollte so etwas wollen? Wer würde einen Serienmörder dingen, um einen Mann zu entführen? Und warum sollte jemand mich entführen? Weshalb diese Mühe?
    Marilyns Weinen wurde anklagend; Artur fragte sich verblüfft, ob sie und die beiden anderen Frauen eine Art Bezahlung gewesen waren. Ob sie für einen Mann sterben mussten, den sie nicht einmal kannten. Allein der Gedanke genügte, dass er sich wünschte, selbst zu sterben. Artur wusste, dass er Feinde hatte, aber keiner von ihnen war so raffiniert und so motiviert. Für sie würde eine Kugel genügen. Eine einfache Kugel, und basta. Aber nicht so etwas. Niemand würde sich so viel Mühe für einen Mann machen, dessen einziges Schicksal ein schnelles Grab war. Für keinen Mann, niemals.
    Also wollte ihn jemand lebendig. Ihn benutzen. Jemand, der sich die Mühe gemacht hatte, in seiner Vergangenheit zu wühlen, der ihn beobachtet hatte, seine Gewohnheiten, sein Haus. Jemand, der zwar viel Geld, aber keinerlei Ethik besaß. Jemand, der mächtig genug war, einen Serienmörder an die Leine zu nehmen.
    Gut. Er saß also mächtig in der Tinte.
    Artur schlug vorsichtig die Decke zurück. Sein Kopf tat weh; der dumpfe Schmerz strahlte von seinem obersten Halswirbel bis in seine Augen. Er versuchte, den Schmerz zu ignorieren, die Schwäche in seinen Gliedmaßen. Er blickte an seinem Körper herunter. Seine Kleidung schien unversehrt zu sein. Er hatte keine sichtbaren Verletzungen. Und auch keine Waffen mehr. Man hatte ihn wie eine Puppe aus seinem Haus geraubt. Er zog den anderen Handschuh aus und schob beide in seine Manteltaschen.
    Dann glitt er vorsichtig aus dem Bett. Seine Schuhe, auch daran hatte jemand gedacht, versanken in dem dicken roten Teppich. Vor ihm befand sich eine Tür, deren Schnitzerei das Muster in der Tapete wiederholte. Artur ging langsam darauf zu und bemühte sich, auf den Füßen zu bleiben. Der Schmerz in seinem Kopf war entsetzlich. Was für ein Betäubungsmittel hatten sie wohl benutzt? Außerdem fragte er sich, was für ein Mann ihm in seinem eigenen Haus auflauern konnte, obwohl er mit nackten Füßen über den Holzboden gegangen war, die doch so empfindlich auf das Echo anderer reagierten.
    »Die Tür ist verschlossen.« Die Stimme war leise.
    Artur fuhr herum, zu schnell und zu hart; er war zu sehr daran gewöhnt, sich geschmeidig und elegant zu bewegen. Der Schmerz in seinem Kopf flammte auf. Seine Kni e gaben nach. Er taumelte und hielt sich am Bettpfosten fest. Was für eine demütigende Schwäche.
    Zuerst sah er niemanden. Alles war still und dunkel. Dann registrierten seine Augen eine Bewegung auf der anderen Seite des großen Raumes, in einer Nische, die aus Vorhängen und Holzverschalung bestand. Schatten bewegten sich, wie ein Geist, der seine Gliedmaßen streckt. Ein dünnes, blasses Gesicht löste sich aus diesen Schatten. Artur sah das blonde Haar, den unglaublich schlanken Körper, in ein eng anliegendes graues Kostüm gekleidet.
    »Seien Sie gegrüßt«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang ruhig und melodisch. Sie schien unbewaffnet zu sein.
    Artur richtete sich langsam auf und trat, als er genug Kraft gesammelt hatte, von dem Bett weg. Es war ein dummer Fehler
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