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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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es hämmere durch ihre Rippen.
    Diesmal schien der Arzt jedoch nichts dagegen zu haben. Sein Lächeln verstärkte sich.
    »Oh«, meinte er, »sie werden höchst aufregend sein.«
    Dann setzten die Männer sie wieder in den Rollstuhl und schoben sie hinaus.
    Im Korridor wurde sie ohnmächtig; vielleicht hatten die Männer ihr auch ein Beruhigungsmittel verabreicht. Elena erinnerte sich noch daran, dass sie sich schwach gefühlt, ihr Herz wie ein Hammer in ihrer Brust geschlagen und sie kaum Luft bekommen hatte. Es fühlte sich an, als würde sie sterben, und sie vermutete, dass es einfach Panik war. Wie auch immer, wahrscheinlich war es gut, ohnmächtig zu werden.
    Als sie aufwachte, fand sie sich ausgestreckt und fast unbekleidet auf einer nackten Schaumstoffmatratze wieder. Sie war schweißnass, und ihr Herz pochte immer noch schmerzhaft gegen ihre Rippen. Ihre Wange tat weh.
    Sie wollte sich nicht bewegen, also überließ sie den Augen die Arbeit und betrachtete den Raum aus der Ecke, in der sie lag. Viel zu sehen gab es ohnehin nicht. Die Zelle war weiß, weiß und sauber, hatte einen glatten Boden und Wände, die aussahen, als wären sie mit Gymnastikmatratzen gepolstert. Es sah aus wie in einem synthetischen Iglu oder in einem Ei. In einer Ecke befanden sich eine Toilette, ein Waschbecken und Toilettenpapier. In die gegenüberliegende Wand war ein großer Spiegel eingelassen. Vermutlich konnte man sie dadurch beobachten. Wie raffiniert, sie selbst jetzt noch im Auge zu behalten, ihren schlaffen Körper zu betrachten oder bald zuzusehen, wie sie die Toilette benutzte und sich den Hintern abwischte. Wie aufregend.
    Und zugleich psychologische Kriegsführung. Keine Privatsphäre, keine Sicherheit, keine Macht. Wer auch immer Elena entführt hatte, reduzierte sie auf das Elementarste, nahm ihr ihre Identität, ihre Unabhängigkeit. Wir können alles mit dir machen, schien ihr der Raum zu sagen. Stell dich nicht gegen uns, sonst tun wir dir weh.
    Was eigentlich eine ziemlich übertriebene Zurschaustellung von Macht war, nur für ein so kleines Individuum wie sie, auch wenn sie vielleicht ein paar ziemlich bemerkenswerte Dinge zu tun vermochte. Ein Raum wie dieser, und die Behandlung, die sie bis jetzt erfahren hatte, dies bedeutete doch wohl, dass ihre Entführer sie unterwerfen, sie demütig und folgsam machen wollten für das, was sie ihr als Nächstes zumuten würden. Entweder das, oder sie waren paranoid und hatten Angst - und alles, was sie bisher erlebt hatte, war nur ein Symptom dieses Unbehagens.
    Als sich Elena an den Arzt erinnerte, war sie sich ziemlich sicher, dass Ersteres zutraf.
    Sie versuchte sich aufzusetzen, schaffte es jedoch nur mit Mühe, sich an die weiche Wand zu lehnen. Das war zwar schrecklich unbequem, aber sie weigerte sich einfach, liegen zu bleiben. Wenn sie das nämlich tat, würde sie sich vielleicht nie wieder rühren. So wie sie sich fühlte, war es viel zu leicht, sich zu einem Ball zusammenzurollen und aufzugeben. Jedenfalls zeitweilig. Aber Elena wollte diese Genugtuung niemandem bereiten.
    Trotzdem ruhte sie eine Weile. Sie schloss die Augen und versuchte sich auf die Farm in Wisconsin zurückzuträumen; die Wand hinter ihr war ein Birnbaum, die Schaumstoffmatratze eine Decke, die sie über Wurzeln und Gras gebreitet hatte. Es waren Visualisierungstechniken, die sie verzweifelt anwendete. Dabei half es, dass sie noch Schmutz unter ihren Fingernägeln hatte, Erde von zu Hause, ihrem Garten und der Obstplantage. Die Äpfel waren bald reif und konnten geerntet werden, ebenso wie die Pflaumen. Sie hatte bereits ihren Stand auf dem Bauernmarkt in Madison reserviert. Samstagmorgen in der Hauptstadt, mit ihren Stiegen voller Spezialitäten. Das wäre ihr drittes Jahr als Verkäuferin, ihr drittes Jahr, in dem sie allein auf dem Markt war, ohne ihren Großvater.
    Du wirst nach Hause kommen. Du wirst diesen Ort hier verlassen!
    Und dann? Ganz offensichtlich wussten diese Leute, wo sie lebte, und kannten auch ihre Gewohnheiten. Es hatte sie nur überrascht, dass sie es gewagt hatten, sie direkt aus dem Krankenhaus zu entführen. Hätten sie noch drei Stunden länger gewartet, dann wäre sie wieder auf der Farm gewesen -und damit in Sicherheit, umgeben von mehr als hundert Morgen Obstbäumen, Flüssen und geschwungenen Hügeln. Ein leichtes Opfer. Sie hätte ihnen nicht mal große Schwierigkeiten gemacht. Wer immer sie sein mochten: Elena hielt eine geheime Regierungsorganisation für am
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