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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition)
Autoren: Tim Parks
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wieder da, sie schrien und brüllten und stampften mit den Füßen, und plötzlich frage ich mich, ob mein ganzer langer Aufenthalt im Dasgupta-Institut nicht reine Zeitverschwendung gewesen ist.

VÖLLIGE HINGABE
    ALLE ZEHN TAGE IST ABLÖSUNG im Dasgupta-Institut. Das Schweigegelübde wird vor dem Mittagessen aufgehoben. Die Meditierenden plappern einen Nachmittag lang wie die Wahnsinnigen, geben ihre Spenden ab, solange sie noch aufgeregt sind, und reisen am nächsten Morgen ab. Retreat beendet. Wenn ich also die nächsten acht Tage nicht zurückgehe, um in dem Tagebuch zu lesen, dann wird es zusammen mit dem, der es geschrieben hat, verschwinden, und ich werde in Sicherheit sein. Eine neue Gruppe wird ankommen, und ich werde wieder im Instituts-Trott versinken. Einen Tag habe ich schon geschafft. Ich fühle mich bereits besser, meine Gelassenheit kehrt langsam zurück. Ich erkenne das am Grad der Spannung in meinen Oberschenkeln, wenn ich sitze. Natürlich habe ich keine Möglichkeit, herauszufinden, wer es geschrieben hat, denn wenn alle in ihre Zimmer zurückkehren, kann ich schlecht auf der Männerseite sein. Und selbst dann müsste ich direkt im Flur des Schlaftrakts sein, um sehen zu können, wer durch diese Tür geht; oder draußen vor dem Zimmer, wenn er ans Fenster tritt, um die Vorhänge zuzuziehen. Ich weiß noch nicht mal, welche Frauen in welchen Zimmern sind. Wie denn auch? Es sind so viele. Während des Retreats putzen wir nicht in den Zimmern, aber wenn am Ende unter allen Betten gefegt wird, dann staunt man, was da alles zum Vorschein kommt. Zigarettenschachteln, Essenspapier,Schokoriegelpapier, Kekspackungen. Einmal sogar eine Branntweinflasche. Die Leute sehen so ernst aus, wenn sie mit ihren Kapuzen auf den gesenkten Köpfen vor dem Morgengrauen in die Meditationshalle eilen, aber fast alle haben verbotene Sachen in ihrem Zimmer.
    »Was wir in den nächsten zehn Tagen von Ihnen erwarten«, sagt Harper, wenn die Leute ankommen, »ist völlige Hingabe.« Es ist das einzige Mal, dass er eine Rede hält, und er macht es nüchtern und geradeheraus. »Sie müssen sich ganz in unsere Hände begeben. Das ist der einzige Weg, Ergebnisse zu erzielen.« Die Leute blicken feierlich und zustimmend drein. Sie haben das Gelaber bereits auf der Webseite gelesen, es kommt also nicht überraschend. Aber alle halten irgendetwas zurück: eine Zeitschrift, Zigaretten, einen MP3-Player, irgendetwas von sich, an dem sie sich während der zehn Tage des Schweigens festhalten können. Einmal habe ich einen Analvibrator gefunden. Das hat mich irritiert. Ich musste lachen. Ich habe ihn Harper gezeigt. Ich werde ziemlich sauer, wenn Leute gegen die Regeln verstoßen. Man sieht es, wenn sie Blicke austauschen, obwohl sie es nicht dürfen. Edle Stille bedeutet auch kein Augenkontakt, keine Intimität, kein Gekicher. Man denkt, wozu mache ich mir die Mühe, wenn es ihnen egal ist? Aber ich muss auch darüber lächeln und freue mich, wenn sie es tun. Schließlich habe ich selber in den ersten zehn Tagen hier eine ganze Menge geredet. Bei mir im Zimmer war ein nettes französisches Mädchen, das mich umarmt und mir Pfefferminzdrops gegeben hat, wenn ich geweint habe. Sie war total süß und mitfühlend. Ich habe ihren Namen vergessen. Carl und ich haben viel über das Geben gesprochen. Er meinte, in der Liebe sei der einzige Weg der, sich völlig hinzugeben. Das wäre Liebe. Ich sagte, das sei nichts, was man einfach beschließen könne, ja oder nein. Manche Leute gaben totalviel, auch wenn sie es gar nicht wollten, und andere konnten nicht geben, obwohl sie es wollten, und genauso war es mit der Musik und allem anderen, was Engagement verlangt. Man tat es oder man tat es nicht, man konnte es oder man konnte es nicht, je nachdem, je nach den Umständen. Es war keine Entscheidung, die man einfach so treffen konnte. Jetzt schaue ich mir neuerdings heimlich in der Meditationshalle die Männer an und rätsele, wer es wohl sein könnte. Wieso will ich das wissen? Vor zwei Tagen hätte ich noch Zuflucht zu den Drei Juwelen genommen.
Buddham saranam gacchami. Dhammam saranam gacchami. Sangham saranam gacchami.
Allein schon das Aufsagen dieser Worte war ein Vergnügen. Ich nehme Zuflucht zum Dhamma. Aber jetzt nicht. Jetzt werde ich es nicht tun. Es hat sich etwas verändert.
Anicca.
    Drei Zufluchten und auch drei Orte auf dem Gelände, wo man die Männer beobachten kann. Es ist erstaunlich, wie gewitzt sie im Dasgupta-Institut die
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