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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition)
Autoren: Tim Parks
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Angesicht mit einem Mann sprechen. Ich wette, einige Paare machen das. Wenn es ganz dringend ist, kann man sogar rüberklettern und sich küssen.
    Der Zaun ist nicht sehr hoch. Paare müssen im Dasgupta-Institut eine spezielle Klausel unterschreiben, die besagt, dass sie während der ganzen zehn Tage des Retreats weder miteinander sprechen noch sich berühren dürfen. Aber warum denke ich jetzt daran? Das sollte ich nicht. Ich sollte nicht an Liebespaare denken, die versprechen, dass sie nicht einmal versuchen werden, einander anzuschauen. Was für ein Luxus! Stellen sie sich ein Paar vor, das verliebt ist, sie erwartet ein Baby, er verehrt sie, und sie schwören hoch und heilig, zehn Tage lang nicht miteinander zu sprechen oder sich anzufassen. Zehn kostbare Tage ihrer Schwangerschaft werden sie schweigend und unterwürfig verbringen, werden meditierend dasitzen und ihren Geist reinigen, um für die Geburt ihres Erstgeborenen bereit zu sein. Physisch sind sie sich ziemlich nah – das Dasgupta-Institut ist nicht gerade riesig –, aber sie versuchen nicht, miteinander in Kontakt zu treten, außer vielleicht im Geiste, da senden sie sich ständig geflüsterte Botschaften der Liebe und der Zuversicht: Ich liebe dich, mein Schatz, ich liebe dich wirklich sehr, bald wird unser Baby geboren, es wird stark sein und hübsch, und ich werde es umso mehr lieben, weil es unser Baby ist, ich werde dich in ihm lieben, oder in ihr, und natürlich können sich die beiden Eltern in spe absolut sicher sein, dass sie einander zwar nicht im Arm halten können, der andere sie aber auch nicht betrügen kann, das ist unmöglich, denn wie sollte irgendjemand im Dasgupta-Institut jemand anderen betrügen? Also werden sie sich die ganzen zehn Tage lang total rein fühlen, weil sie auf das Reden und das Anfassen verzichten und gleichzeitig ganz sicher wissen, dass sie, sobald sie nach Hause kommen und sich immer noch rein und heilig fühlen und über all ihre seltsamen und wunderbaren Meditationserlebnisse quatschen, sofort in die Kiste springen werden, um sich unglaublich liebevoll und genüsslich zu lieben.
    Ich wusste, ich hätte nicht anfangen sollen, darüber nachzudenken. Ich hätte nicht anfangen sollen zu schreiben. Eins führt zum anderen, wenn man nachdenkt und seine Gedanken niederschreibt. Falsche, leere Fantasien, schmerzliche Gedankenformationen,
sankharas.
Diese Paare wissen ganz genau, zwischen was sie sich befinden, wenn sie ins Dasgupta-Institut kommen. Sie befinden sich zwischen Küssen und Zärtlichkeiten. Kein Wunder, dass sie sich nicht mit den Brombeerbüschen im Wald herumschlagen. Das würde ihnen nur den Spaß verderben, den sie haben werden, wenn sie mit ihren gereinigten Ichs oder Nicht-Ichs wieder zu Hause im Bett liegen. Ohne Kondome, denn sie trägt ja schon sein Baby im Bauch. Von wegen, sich von allen Anhaftungen lossagen. Von wegen, das Verlangen überwinden. Ich wusste, ich hätte nicht anfangen sollen, darüber nachzudenken. Wie Jonathan damals aus Australien zurückkam. O Gott. Der Geist ist Feuer. Da sagt Dasgupta etwas Wahres. Worte sind Funken. Gedanken Feuerwerkskörper. Man zündet die blaue Papierlunte an, und jedes Mal ist sie zu kurz. Die Gedankenexplosion trifft einen voll ins Gesicht. Aber ich würde ihr Glück gar nicht wollen. Wirklich nicht. Auch nicht ihr Baby. Nein, auf keinen Fall. Sie werden einander früh genug enttäuschen. Ganz sicher. Alle. Sie werden mit der Angst leben, enttäuscht zu werden, oder mit dem Grauen, selber zu enttäuschen. Oder beides. Die Liebe wartet nur auf den Verrat, egal wer von beiden schuld ist, dann kommt der Aufruhr, dann die qualvolle Leere. Von wegen, Gelassenheit. Der Typ mit dem Tagebuch weiß das. Ich will ihre Illusionen nicht. Ich will auch keine Songs darüber schreiben, weder über ihre Illusionen noch über ihre Enttäuschungen. Ein Song über das Glück ist immer auch ein Song über die kommende Enttäuschung. Je größer das Glück, umso lauter höre ich die Leute weinen. Ich will nicht über sie schreiben oder sie mirvorstellen. Auch nicht ihr Baby. Mama und Papa. Dennoch wünsche ich ihnen alles Gute. Wirklich. Ich versuche es. Mögen sie vollkommen erleuchtet werden, mögen sie von Glück und mitfühlender Freude erfüllt werden, möge ihr Kind gesund und schön heranwachsen auf dem Weg des Dhamma. Mögen alle Wesen glücklich und friedvoll sein, mögen alle Wesen frei sein, frei, frei, frei.
    Der dritte Ort, wie gesagt, an dem man die Männer
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