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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition)
Autoren: Tim Parks
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Geschlechter voneinander trennen. Wenn die Neuen ankommen, mit dem eigenen Auto oder mit dem Minibus, der sie von der Bushaltestelle herbringt, dann haben sie den Eindruck, in ein gewöhnliches altes Bauernhaus zu kommen. Es gibt eine Veranda und einen Flur – alle plappern und lachen –, dann links einen Raum mit Schließfächern. Man legt seine Sachen in ein Schließfach, ähnlich wie im Schwimmbad – Geld, Bücher, Stifte, Telefon, Laptop. Dann dreht man den Schlüssel um, und er fällt einem in die Hand, man hat also nicht das Gefühl, keinen Zugang mehr zu seinen Sachen zu haben. Man hat ja den Schlüssel. Man kann jederzeit wieder hingehen. Glaubt man.
    Als Nächstes kommt ein riesiger Raum, der mal eine alte Scheune gewesen sein muss, oder ein Kuhstall, mit Esstischen in langen Reihen, und die Frauen gehen nach ganz hinten rechts,um sich anzumelden, die Männer nach links. Dann, während Harper seinen Spruch über die völlige Hingabe aufsagt, wird der Raum mit den Schließfächern verschlossen und die Tür, die zurück zum Eingang und zur Außenwelt führt, zugemacht und der Zutritt verboten. Und während er zum Ende seiner Rede kommt und allen ein gutes Retreat wünscht, entfalten zwei Helfer schweigend in der Mitte des Speisesaals zwischen den Tischen für die Frauen und den Tischen für die Männer eine Trennwand und sichern sie mit Bolzen. Das war’s dann. Man kommt nicht mehr zu seinen Sachen im Schließfach und auch nicht nach draußen zur Straße, und man kann nicht mehr mit Angehörigen des anderen Geschlechts reden. Der einzige Weg aus dem Saal führt zu den Toiletten, den Schlaftrakten, der Meditationshalle und dem Erholungsgarten, die alle streng nach Männern und Frauen getrennt sind.
    Manchmal, wenn Paare dabei sind, regt sich jemand auf. Sie wussten, dass sie getrennt werden würden, aber sie hatten keine Zeit, sich zu verabschieden. Ich erinnere mich an eine Schwangere, die richtig hysterisch wurde. Es ist immer mindestens ein Paar dabei, das ein Kind erwartet; immer das erste Kind. Sie möchten sich heilig und gesegnet fühlen. Sie empfinden Ehrfurcht vor der Schöpfung. Diese Frau kam angelaufen, als wir die Bolzen an ihren Platz schoben. Es macht mir ziemlichen Spaß, die Trennwand einzuziehen. Ich melde mich immer freiwillig dafür. Sie fing an zu schreien und hämmerte mit der Faust gegen die Wand. »Abschiede werden meist überbewertet«, habe ich zu ihr gesagt.
    Nach dieser Trennung gibt es noch drei Orte, von denen man einen Blick auf die Männer werfen kann, oder vielmehr, von wo aus man sehen kann, wie sie versuchen, einen Blick auf die Frauen zu werfen. Der Drahtzaun, der vom Toilettengebäude bis zurMeditationshalle verläuft, ist noch nicht ganz mit Kletterpflanzen bedeckt. Es gibt ein paar Lücken. Wir sprechen hier also von Blicken durch ein Drahtnetz und Zweige von Jasmin und Hagebutten auf Mitglieder des anderen Geschlechts, die spazieren gehen, während man selber spazieren geht. Mit ein bisschen Glück kriegt man vielleicht einen netten Hippie-Typen zu sehen, aber meistens sind es trübsinnige, schlaksige Jungs oder ältere Männer mit Fettwänsten, die dort mit gesenkten Köpfen herumschlurfen. Für ältere Männer muss es im Dasgupta-Institut schwer sein. Sie hatten mehr Zeit, um schlechtes Karma und
sankharas
anzuhäufen. Ich wette, ihre Oberschenkel und Knöchel brennen höllisch während der Sitzungen der Festen Entschlossenheit. Mädchen machen die ganze Scheiße früher durch, schätze ich. Mit dreißig werde ich vermutlich entweder gereinigt oder tot sein.
    Hinter der Halle ist ein weiterer Zaun, der die große Wiese teilt, und dahinter kommt der Wald. An diesem Zaun wächst kein Efeu oder so etwas, aber die Wege sind meilenweit voneinander entfernt, und das Gras zu beiden Seiten wird nicht geschnitten, daher ist es hoch und nass. Wenn man beim Spaziergang auf dem Feld den Kopf wendet, sieht man vielleicht einen Mann, der drüben in seinen weiten Meditationshosen und einem schäbigen T-Shirt herumschlendert. Im Dasgupta-Institut sind alle schäbig angezogen. Oder vielleicht sitzt jemand auf der Bank oben am Wiesenrand und schaut auf die Landschaft hinaus. Die Leute sitzen mit starrem Blick da, ohne wirklich etwas zu sehen. Aber das ist auch schon alles. Wenn man natürlich die ganze Wiese überquert und in den Wald hineinläuft, dann den Weg verlässt und sich durch das Brombeergestrüpp zum Zaun schlägt, dann könnte man dort theoretisch von Angesicht zu
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