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Seuchenschiff

Seuchenschiff

Titel: Seuchenschiff
Autoren: Clive Cussler
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Patrouillenflug befanden und die Minuten sich wie Gummi dehnten, gestattete er seiner fünfköpfigen Mannschaft einen lässigeren Umgangston.
    »Das dürfte eine Hilfe sein«, sagte er über die Bordsprechanlage und deutete mit einem Kopfnicken auf den funkelnden Vollmond.
    »Oder die Reflexe überdecken die Kiellinie eines Konvois«, erwiderte Max Ebelhardt, sein Kopilot, in seinem gewohnt pessimistischen Tonfall.
    »Bei derart ruhiger See entdecken wir sie sogar, wenn sie angehalten haben, um sich nach dem Weg zu erkundigen.«
    »Wissen wir denn, ob hier überhaupt jemand unterwegs ist?« Die Frage kam von Ernst Kessler, dem jüngsten Mitglied der Crew. Kessler war der Heckschütze der
Condor
und hockte zusammengekrümmt im hinteren Teil der Gondel, die einen Teil der Rumpfunterseite des Flugzeugs bildete. Durch seine Plexiglasscheibe und über den Lauf eines einzigen MG-15-Maschinengewehrs konnte er nichts anderes sehen als das, was die
Condor
bereits überflogen hatte.
    »Der Geschwaderkommandant hat mir versichert, dass ein U-Boot, das gerade von einer Patrouillenfahrt zurückkehrte, vor zwei Tagen mindestens hundert Schiffe in Höhe der Färöerinseln gesichtet hat«, erklärte Lichtermann seinen Männern. »Die Schiffe waren auf nördlichem Kurs unterwegs und müssten daher hier irgendwo herumschleichen.«
    »Ich glaube eher, dass der U-Boot-Kommandant irgendeine Meldung machen wollte, nachdem er mit all seinen Torpedos überhaupt nichts getroffen hatte«, nörgelte Ebelhardt und verzog nach einem Schluck lauwarmen Ersatzkaffees angewidert das Gesicht.
    »Ich würde sie lieber nur finden, anstatt sie zu versenken«, sagte Ernst Kessler. Der sanftmütige junge Bursche war gerade achtzehn Jahre alt und hatte davon geträumt, Arzt zu werden, ehe er eingezogen worden war. Weil er aus einer armen bäuerlichen Familie in Bayern kam, hatte er kaum eine Chance auf eine höhere Ausbildung. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich während seiner Freizeit in medizinische Journale und Bücher zu vertiefen.
    »Das ist nicht gerade die richtige Einstellung für einen deutschen Soldaten«, meinte Lichtermann mit leichtem Tadel in der Stimme. Er war froh, dass sie bisher noch keine Feindberührung gehabt hatten. Er bezweifelte nämlich, dass Kessler große Lust hatte, mit seinem Maschinengewehr das Feuer zu eröffnen. Aber der Junge war das einzige Mitglied seiner Mannschaft, das stundenlang entgegen der Flugrichtung im Flugzeugheck hocken konnte, ohne dass ihm irgendwann schlecht davon wurde.
    Er dachte voller Ingrimm an all die Männer, die an der Ostfront starben, und daran, dass die Panzer und die Flugzeuge, die zu den Russen geschafft wurden, die unweigerliche Kapitulation Moskaus nur unnötig verzögerten. Lichtermann wäre mehr als glücklich gewesen, hätte er selbst ein paar Schiffe versenken können.
    Eine weitere endlos erscheinende Stunde verstrich, in der die Männer in die Nacht starrten und inständig hofften, den Konvoi zu orten. Ebelhardt tippte Lichtermann auf die Schulter und deutete auf sein Logbuch. Obwohl der Bugschütze, der im vorderen Teil der Gondel unter dem Flugzeugrumpf hockte, der offizielle Navigator der Mannschaft war, hatte in Wirklichkeit Ebelhardt ihre Flugzeit und ihren Kurs berechnet und wies jetzt darauf hin, dass es Zeit wurde umzukehren und einen anderen Teil des offenen Meeres abzusuchen.
    Lichtermann betätigte das Seitenruder und flog einen weiten Bogen nach Backbord. Dabei behielt er den Horizont ständig im Auge, während der Mond über den Himmel zu wandern schien.
    Ernst Kessler war stolz darauf, die schärfsten Augen an Bord des Flugzeugs zu besitzen. Als er noch die Schule besuchte, sezierte er mit besonderer Vorliebe Tiere, die er in der Umgebung des Bauernhofs seiner Eltern fand. Er studierte ihre Anatomie, indem er seine Beobachtungen mit dem verglich, was er in seinen Büchern zu diesem Thema finden konnte. Er wusste, dass er dank seiner scharfen Augen und seiner ruhigen Hände ein hervorragender Arzt sein würde. Sein Gesichtssinn eignete sich jedoch mindestens genauso dazu, einen feindlichen Konvoi auszumachen.
    Auf Grund seiner Position, die ihm ausschließlich eine ungehinderte Sicht nach hinten gestattete, hätte eigentlich nicht er es sein dürfen, der den Konvoi entdeckte. Doch am Ende war tatsächlich er es, der ihn sichtete. Während sich das Flugzeug auf die Seite legte, erregte ein ungewöhnliches Glitzern seine Aufmerksamkeit. Es war ein weißes Aufleuchten,
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