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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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den seinen entglitten, und er konnte nichts dagegen tun, hatte keine Möglichkeit, das Leben zu retten, das ihm soviel mehr wert war als sein eigenes.
    Später schätzte man, daß an jenem Tag etwa zwölfhundert Menschen in Aix gewesen seien. Als es schließlich gelang, die Menge aus der Kirche zu drängen, fand man sieben Frauen und Kinder, die niedergetrampelt worden waren. Eines der Kinder war Jules Craus Tochter Isabelle.
    Nachdem er von einem zypriotischen Fischerboot auf eine kretische Bark und schließlich auf ein Handelsschiff umgestiegen war, das einem seiner Landsleute gehörte, betrat Angelo im Juni italienischen Boden.
    In Neapel lieh er sich Geld von einem Bekannten und nahm sich ein Zimmer, und dort setzte er sich hin und schrieb, während das frühsommerliche Sonnenlicht durch die Ritzen der Fensterläden hereinspähte, einen langen Brief an Lorenzo Nadi. Er glaubte zwar im Grunde nicht daran, etwas damit zu erreichen, doch er wollte sich später nicht vorwerfen müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben. Aller Voraussicht nach würde der reiche Florentiner jedoch die Rückerstattung seines Geldes verlangen und Angelo untersagen, sich seiner Tochter noch einmal zu nähern.
    Um jede Möglichkeit auszuschöpfen, schrieb er danach auch noch an Fiametta, doch obwohl er sich sogar einige ergreifende Verse abrang, rechnete er nicht wirklich damit, ihr Herz erreichen zu können. Wäre sie so leidenschaftlich wie ihre Mutter gewesen, hätte vielleicht die Chance bestanden, daß sie sich bemühte, ihren Vater umzustimmen, aber sie hatte nicht den Eindruck auf ihn gemacht, sich von Gefühlen leiten zu lassen. Sei's drum – er war nicht auf die Gunst der Nadis angewiesen. Das war ihm auf Zypern klargeworden, als er sich nach einer Woche an der Schwelle des Todes wieder erholt hatte. Eine alte Bäuerin hatte ihn am Strand gefunden und mit in ihre Hütte genommen, und obwohl die Frau sich rührend um ihn kümmerte und ihn, wann immer er aufwachte, mit einer scheußlich schmeckenden Suppe fütterte, der sie Wunderkräfte zuschrieb, dauerte es Tage, bis das Fieber sank, das seinen erschöpften Körper schüttelte. Doch dann, als er in einer windstillen, mondhellen Nacht die Augen öffnete, sah er die Lösung all seiner Probleme vor sich, und die Verzweiflung, die ihn seit dem Untergang der Fiametta gequält hatte, schwand.
    Er spürte das alte Feuer wiederkehren. Er hatte es schon einmal aus dem Nichts zu etwas gebracht. Er war besitzlos geboren worden, jedoch von vornherein entschlossen gewesen, sich nicht mit dem Leben abzufinden, das das Schicksal für ihn vorgesehen hatte.
    Die Fiametta hatte er zwar verloren, aber seine Intelligenz, sein gutes Aussehen und sein Ehrgeiz waren ihm geblieben – und diese Eigenschaften würden ihm zu einem neuerlichen Erfolg verhelfen. Während er durch das glaslose Fenster zu dem zypriotischen Nachthimmel hinaufstarrte, reifte ein Plan in seinem Kopf, der seine Zukunft sichern würde.
    Am folgenden Tag stahl er die kärglichen Ersparnisse der Bäuerin, während diese mit ihren mageren Ziegen unterwegs war, und machte sich davon. Ein Fischerboot brachte ihn nach Kreta, wo er Freunde hatte. Dort borgte er sich etwas Geld und fuhr mit einer Bark zum griechischen Festland, wo er einen Franzosen traf, der ihn mit nach Italien nahm.
    Angelo stand auf, ging zum Fenster und öffnete die Läden. Tiefblau und glatt erstreckte sich das Meer bis zum Horizont. Das Sonnenlicht malte silberne Flecken darauf. In der Ferne verschmolz der wolkenlose Himmel mit der See. Ich werde bald wieder dort draußen sein, dachte Angelo. Es gab noch andere Schiffe als die Fiametta , und eines davon war eine prachtvolle toskanische Galeone, die ungewöhnlicherweise einen englischen Namen hatte: Kingfisher .
    In Serafinas Haus in Pisa stand Maria am Fenster und fütterte den Papagei mit Haselnüssen. Neue Federn sprossen auf dem ehemals kahlen Schädel des Tieres, und es fächerte seinen Schwanz zu herrlicher leuchtend roter Pracht auf, sobald Maria zu ihm trat, um mit ihm zu sprechen. Nicht nur sein Äußeres, auch die Laune des Vogels hatte sich wesentlich gebessert, er fluchte nur noch, wenn die Katze ihm zu nahe kam oder wenn der unermüdlich in Bewegung befindliche Francesco seine Nerven über Gebühr strapazierte.
    Sein Freisitz stand am Fenster, weil Maria sich die meiste Zeit dort aufhielt. Täglich kamen Schiffe an – beladen mit Seide, Gewürzen und Edelsteinen –, und bald würde auch die
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