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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste
Autoren: Angie Sage
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zuvor, als das Licht der Morgensonne durch die Glaskuppel geströmt war, noch flächig weiß gewesen, so war nun das bunte, gestochen scharfe Bild einer Landschaft darauf zu sehen. Verzückt beobachtete Merrin Schafe, die lautlos in einer Reihe über eine Felsspitze am Rand der Schlucht trotteten, und rosa Wolken, die hinter ihnen am Himmel schwebten.
    Er fasste nach oben, ergriff den langen Balken, der vom Mittelpunkt der Glaskuppel herabhing, und drehte ihn. Ein unwilliges Quietschen ertönte von der kleinen, in die Spitze der Kuppel eingesetzten Linse, die das Bild auf die Scheibe darunterwarf. Während Merrin die Linse einmal im Kreis drehte, veränderte sich das Bild vor ihm und zeigte ein stummes Panorama der Außenwelt. Nur zum Spaß drehte er sie noch einmal um 360 Grad, dann suchte er die Stelle, die er sehen wollte. Er ließ den Balken los, und das Quietschen verstummte. Sich die schwarzen Zotteln aus den Augen streichend, beugte er sich vor und betrachtete aufmerksam die Szene vor ihm.
    Die Scheibe zeigte einen langen, schmalen Pfad, der sich zwischen Felsen zu Tal schlängelte. Zu seiner Rechten war eine tiefe Schlucht zu sehen, zu seiner Linken erhoben sich steile Schieferwände mit vereinzelten Geröllhalden oder herabgestürzten Felsbrocken dazwischen. Merrin wartete geduldig, bis Donner endlich ins Bild kam. Der Rappe setzte bedächtig einen Huf vor den anderen, vorsichtig gelenkt von Simon, der gegen die morgendliche Kühle den schwarzen Umhang übergeworfen hatte. Außerdem trug er den Schal von Lucy, die sich das andere Ende selbst um den Hals gewickelt hatte. Sie saß, eingemummt in ihren kostbaren blauen Mantel, hinter Simon und hatte die Arme fest um seine Taille geschlungen. Grinsend sah Merrin zu, wie das Pferd lautlos über die Scheibe stapfte. Da zogen sie hin, genau wie von ihm geplant, und er beglückwünschte sich dazu, wie er die ganze Sache eingefädelt hatte. Vor ein paar Wochen war Lucy Gringe hier aufgetaucht – dabei hatte sie eine Nervensäge von Ratte, die er mit einem gezielten Tritt davongejagt hatte –, und noch am selben Tag hatte er begonnen, einen Plan zu schmieden. Seine Gelegenheit kam schneller, als er erhofft hatte. Lucy wünschte sich einen Ring, und nicht irgendeinen alten Ring, sondern einen Diamantring.
    Er hatte sich gewundert, wie schnell und wie oft Simon Lucys Meinung übernahm. Sogar was Diamantringe anging. Er hatte die Gelegenheit beim Schöpf gepackt und sich erboten, auf das Observatorium aufzupassen, falls Simon mit Lucy nach Port reisen wollte, um einen Ring zu kaufen. Simon war darauf eingegangen, denn er trug sich mit der Absicht, beim Räumungsverkauf in Drago Mills Lagerhaus vorbeizuschauen, von dem die Ratte des Langen und Breiten erzählt hatte. Nach dem Ableben des Lagerhausbesitzers hatte der Ausverkauf vor einer Woche begonnen, und allem Anschein nach konnte man dort erstaunlich günstige Käufe tätigen. Lucy Gringe hatte freilich andere Vorstellungen. Ihr schwebte ein Ring vor, der keine Wünsche offenließ, und den gab es ganz bestimmt nicht beim Räumungsverkauf in Drago Mills Lagerhaus.
    Nun endlich wurde Merrins Geduld belohnt. Gespannt sah er zu, wie Donner die beiden Reiter aus dem Bild auf der Scheibe trug, und als gleich darauf auch der Schwanz des Rappen verschwand, stieß er einen lauten Jauchzer aus. Sein Leben lang hatte er sich von anderen vorschreiben lassen müssen, was er zu tun hatte. Endlich, endlich war er frei!

* 3 *
    3.  Der schwarze Index
     

    A u s seinem Geheimversteck unter der Matratze zog Merrin ein schmales, in Leder gebundenes und mit Eselsohren verunziertes Buch hervor, auf dessen Deckel in verblassten schwarzen Lettern Der schwarze Index stand. Er grinste. Endlich konnte er darin lesen, ohne es vor dem Schnüffler Simon Heap und der lästigen Lucy verstecken zu müssen. Sie war noch schlimmer als er. Den lieben langen Tag fragte sie ihn Sachen wie »Was tust du, Merrin?« oder »Was liest du denn da, Merrin? Zeig mal. Ach komm, Merrin, sei doch nicht gleich eingeschnappt«.
    Seit er das Buch hinten in einem verstaubten Schrank, den er auf Simons Geheiß entrümpeln und putzen sollte, gefunden hatte, war er davon gefesselt. Der schwarze Index sprach ihm aus dem Herzen. Er begriff seine Zauberformeln und Regeln, und ganz besonders gefiel ihm der Teil, der davon handelte, wie man die Regeln brach. Das Buch hatte jemand geschrieben, den Merrin verstand.
    In seiner kleinen Zelle, die mit einem Vorhang vom
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