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Septemberblut

Titel: Septemberblut
Autoren: Rebekka Pax
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Als ich dann Stunden später erwacht war, war es bereits zu spät gewesen.
    Der Sarg war warm und eng.
    Curtis hockte sich neben mich und legte einen Finger auf meine Lippen.
    »Scht!«
    Ich verstummte, hatte vorher gar nicht bemerkt, dass ich leise, wimmernde Töne von mir gab.
    Nun war ich ruhig. Meine Gedanken jedoch, sie rasten. Es war nicht einmal Mitternacht, warum hatte ich nicht bis kurz vor Sonnenaufgang gewartet? Warum war ich jetzt schon gekommen?
    Doch diese Überlegungen nutzten nichts.
    »Jede Prüfung macht dich stärker, Julius. Du bist jetzt selber Meister. In der kommenden Zeit wirst du lernen, was das wirklich bedeutet.«
    Curtis strich mir in einer letzten liebevollen Geste das Haar aus der Stirn.
    »Wie lange?«, fragte ich.
    »Es ist besser, wenn du es nicht weißt.«
    Jetzt war die Panik da. Ich war kurz davor, aufzuspringen und davonzurennen.
    »Mach endlich den verdammten Deckel zu!«, schrie ich verzweifelt. »Bitte!«
    Der dumpfe Knall riss alle Geräusche fort. Meine Welt warplötzlich schwarz, nicht dunkel, sondern schwarz. Die völlige Abwesenheit von Licht und Farbe.
    Ich versuchte ruhig zu bleiben, während meine blinden Augen nach Konturen tasteten.
    Draußen schob Curtis die Riegel vor, einen nach dem anderen, es waren sechs. Bei dem vierten flatterten meine Hände ziellos über die gepolsterten Wände.
    Es war eng! Schrecklich eng!
    Der fünfte Riegel schabte an seinen Platz.
    Ich hörte die Außenwelt wie durch einen Vorhang aus Watte.
    Der letzte Riegel saß, und Curtis flüsterte in meinem Kopf, ich solle ruhig bleiben. Mein Herz drohte zu zerspringen, und in meiner Unvernunft glaubte ich zu ersticken.
    Ich fühlte Curtis’ Schritte mehr, als dass ich sie hörte. Er ging um den Sarg herum.
    Dann begann der letzte Akt. Er zog eine Kette durch die sechs Ringe, damit die Riegel nicht aufsprangen. Silber, es war schon wieder Silber!
    Ein Schrei verließ meine Kehle, und sobald der erste hinaus war, konnte ich nicht mehr aufhören. Ich brüllte meine Angst in die Seide, trommelte mit meinen Fäusten gegen die Wände und schrie und schrie und schrie.

    Als Julius zu schreien begann, glaubte Amber, es keinen Moment länger ertragen zu können. Sie kauerte auf dem Boden neben der Tür zu Curtis’ Räumen und hämmerte mit den Fäusten auf die Steinfliesen. Irgendwann erklangen leise Schritte, und die Tür wurde geöffnet.
    Amber war sofort auf den Beinen. Sie wollte, musste zu Julius, doch Curtis vertrat ihr den Weg.
    Müheloshielt sie der Meistervampir an den Schultern fest, während Amber mit der Kraft der Verzweiflung gegen ihn ankämpfte, dann zog er sie plötzlich in seine Arme.
    Amber war so überrascht, als sie gegen diesen kalten Körper gedrückt wurde, dass sie ihre Gegenwehr aufgab. Die warme, tröstende Magie, die der Meistervampir mit einem Mal ausströmte, tat ihr Übriges.
    »Du kannst da jetzt nicht rein!«, sagte er sanft.
    »Bitte! Er hat doch solche Angst, Curtis. Bitte!«, stieß sie unter Tränen hervor und hörte immer noch die verzweifelten Schreie ihres Geliebten.
    »Nein, Amber. Er kommt sonst nicht zur Ruhe. Er wird sich verletzen.«
    Langsam gewann sie ihre Fassung zurück. Sie erkannte, dass es auch dem Meistervampir nicht leicht fiel, was er Julius, der für ihn wie ein Sohn geworden war, antun musste.
    Amber sah auf.
    Curtis sah sie lange regungslos an, dann nickte er wie zu sich selbst. »Versprich mir nur, dass du nicht versuchst, ihn zu befreien. Hilf ihm seine Lage zu akzeptieren, denn sie ist nicht zu ändern.«
    »Ich … ich verspreche es.«
    Ungläubig sah Amber auf die sich öffnende Tür. Noch vor einigen Augenblicken wäre sie wohl gerannt, nun ging sie mit erzwungener Ruhe zu dem kettenverhangenen Sarg und sank daneben in die Knie.
    Julius’ Schreie brachen abrupt ab, doch da waren immer noch Geräusche. Er sagte leise ihren Namen, seine Hände schienen von innen über den Sarg zu kratzen, Stoff riss.
    Amber musste schlucken. »Julius, beruhige dich. Ich bin hier«, flüsterte sie. »Ich bleibe bei dir, für immer.«
    Auch die Kratzgeräusche verschwanden.
    »Lassmich nicht allein!« Der Sarg dämpfte Julius Stimme. Durch die Angst klang sie fremd.
    »Du bist niemals allein. Wir haben die Siegel, wir sind immer verbunden. Solange ich hier draußen bin, bist auch du frei, Julius. Sieh durch meine Augen, fühle mit meinem Körper.«
    Für einen Moment war der Vampir ganz still.
    Amber legte Hände und Wange an das glattpolierte Holz und meinte
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