Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
wenigen Minuten zeigte sich Madame im Garten in einem leinenen Matrosenanzug, eine amerikanische Marinemütze auf dem Kopf.
      Ihr Mann schien es mit der Verkleidung eilig zu haben. Er zeigte sich am Fenster, eingezwängt in einen unwahrscheinlichen Gehrock, auf dem Kopf den altmodischen Zylinder.
      »Na, was meinst du dazu?«
      »Du hast doch hoffentlich die Schärpe nicht vergessen?«
    »Welche Schärpe?«
    »Die zu einem richtigen Bürgermeister gehört.«
      Auf dem Fluß glitten Boote langsam dahin. In der Ferne hörte man die Dampfpfeife eines Schleppers. Auf den Hügeln stromabwärts war das Sonnenlicht schon weniger grell.
      »Gut, fahren wir nach Morsang«, sagte Maigret.
      Am Seineufer eine geräumige Terrasse, davor Boote aller Arten und hinter dem Haus geparkte Autos.
      »Soll ich warten?«
      »Ich weiß noch nicht.«
      Das erste Wesen, das ihm begegnete, war eine Frau ganz in Weiß. Sie wäre ihm fast in die Arme gefallen. Im Haar hatte sie Orangenblüten. Ein junger Mann in Badehose verfolgte sie. Beide lachten.
      Vor dem Wirtshaus sahen Gäste der Szene zu.
      »Laß die Braut in Ruhe!« rief einer.
      »Warte wenigstens, bis die Hochzeit vorüber ist!«
      Die Braut blieb atemlos stehen, und Maigret erkannte die Dame aus der Avenue Niel, die zweimal wöchentlich mit Monsieur Basso das Garni zu besuchen pflegte.
      Auf einer kleinen, grün angemalten Fähre ordnete ein Mann Angelgeräte. Er tat es mit ernster, sorgenvoller Miene, als hätte er eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe zu erledigen.
      »Fünf Pernod!«
      Ein junger Mann verließ das Wirtshaus. Er hatte Schminke im Gesicht und sah aus wie ein munterer, mit Pickeln übersäter Bauer.
      »Ist es so richtig?«
    »Du müßtest rote Haare haben.«
      Ein Auto hielt. Die Fahrgäste waren schon kostümiert für die Bauernhochzeit. Eine Frau trug ein braunes seidenes Schleppkleid. Statt einer Uhrkette trug der Mann eine Bootskette auf dem ausgestopften Bauch.
      Die Sonnenstrahlen färbten sich rötlich. Die Blätter bewegten sich kaum. Ein Boot glitt stromabwärts. Der nackte Mann darin lag halb ausgestreckt und steuerte nachlässig mit einem Paddel.
      »Wann sind die Fuhrwerke hier?«
      Maigret wußte nicht recht, wo er sich hinsetzen sollte.
      »Sind die Bassos schon da?«
      »Sie haben uns überholt.«
      Plötzlich pflanzte sich ein Mann vor Maigret auf, etwa dreißig Jahre alt, fast völlig kahl, mit einem Clownsgesicht und listig funkelnden, wasserblauen Augen. Das Licht der sinkenden Sonne ließ sein Gesicht röter erscheinen.
      Er deutete auf Maigret und sagte in unverkennbar englischem Akzent:
      »Hier haben wir den Kameraden, der den Notar machen kann!«
      Und da Maigret nichts erwiderte, wiederholte er mit der Vertraulichkeit eines leicht Angetrunkenen:
      »Du machst den Notar, nicht wahr? Das wird lustig, darauf kannst du dich verlassen.«
      Er nahm Maigrets Arm, wobei er hinzufügte:
      »Laß uns einen Pernod trinken!«
      Die Umstehenden lachten. Eine Frau flüsterte ihrem Begleiter zu:
    »Schüchtern ist James nicht.«
      Ohne sich im mindesten aus der Fassung bringen zu lassen, zog er Maigret an einen Tisch und bestellte:
      »Zwei große Per!«
      Und während man ihnen zwei bis zum Rand gefüllte Gläser servierte, brach James in lautes Lachen aus über diesen Wochenendscherz.

    2

    Der Ehemann der Dame

    A ls er vor der Kneipe stand, hatte Maigret den Schlüs
         sel noch nicht im Schloß, wie er zu sagen pflegte. Er war Bassos Spuren gefolgt, ohne sich Illusionen hinzugeben. In Morsang hatte er der lebhaften Gesellschaft mißvergnügt zugesehen. Aber er hatte nicht das kleine Prickeln, das plötzliche Einrasten verspürt, das ihn sonst in die Atmosphäre eines neuen Falles versetzte.
      Während James ihn animierte, mit ihm anzustoßen, kamen und gingen die verkleideten Gäste. Sie hatten sich geschubst und gelacht. Das Ehepaar Basso war erschienen, und über den Jungen, den man als rothaarigen kleinen Bauerntrottel zurechtgemacht hatte, hatte man besonders gelacht.
      »Kümmere dich nicht um sie«, sagte James, da Maigret den Kopf wandte. »Sie sind noch nüchtern und schon albern.«
      Die Fuhrwerke waren vorgefahren, von lärmendem Jubel begrüßt. Maigret hatte neben James Platz genommen, während der Wirt und die Angestellten mit anderen Gästen auf der Terrasse standen, um die Abfahrt mitzuerleben.
      Bläuliche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher