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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe
Autoren: Georges Simenon
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nicht … Lieber einen haben, mit dem man sprechen kann … Soll ich Ihnen Marcelles Geschichte erzählen? Es war das Mädchen, das …«
      Die Tür wurde geöffnet. Als der Verteidiger Lenoirs Maigret bemerkte, blieb er mit einem gezwungenen Lächeln stehen, um seinen Klienten nicht merken zu lassen, daß das Gesuch abgelehnt war.
      »Bringen Sie mir gute Nachrichten?« fragte Lenoir.
      Und dann, zu Maigret gewandt: »Ich sage Ihnen nicht auf Wiedersehen, Kommissar … Und nichts für ungut. Übrigens, bemühen Sie sich nicht. Der Mann, von dem ich sprach, ist nämlich ebenso schlau wie Sie …«
      Maigret reichte ihm die Hand und sah ihn stumm an. Seine Nasenflügel bebten, das Schnurrbärtchen war feucht, die Zähne bohrten sich in die Unterlippe.
      »Henker oder Typhus, ist ja egal …«, scherzte Lenoir und zwang sich zu einem Lachen.

    Maigret fuhr nicht in die Ferien. Eine Scheckfälscheraffäre nahm ihn fast völlig in Anspruch. Von der Pinte hatte er nie gehört. Er fragte seine Kollegen.
      »Kenne ich nicht«, war die Antwort. »Wo soll sie liegen? An der Marne? Am Unterlauf der Seine?«
      Lenoir war sechzehn Jahre alt, als er diese Geschichte erlebt hatte. Das war also vor acht Jahren gewesen. Eines Abends ging Maigret die Kriminalakten des betreffenden Jahres durch.
      Er fand nichts Sensationelles. Es waren Menschen verschwunden, wie das in einer Großstadt oft passiert. Eine zerstückelte Frauenleiche, deren Kopf nie gefunden wurde. Und was den Kanal Saint-Martin betraf, so hatte man nicht weniger als sieben Tote aus ihm geborgen.
      Die Scheckfälscheraffäre wurde immer verwickelter.
      Untersuchungen waren durchzuführen. Und schließlich mußte Maigret seine Frau ins Elsaß zu ihrer Schwester begleiten, wo sie jedes Jahr einen Monat verbrachte.
      Je weicher der Asphalt in der Sonnenglut wurde, desto mehr entvölkerte sich Paris. Die Menschen strebten in den Schatten, und auf den Terrassen der Cafés gab es kaum einen leeren Stuhl.

    erwarten dich bestimmt sonntag. küsse.

    Madame Maigret schickte ein Mahntelegramm, da ihr Mann noch immer nicht gekommen war. Der 23. Juli. Ein Samstag. Er ordnete die Akten und verständigte Jean, seinen Bürodiener in der Polizeipräfektur, daß er kaum vor Montagabend zurück sein würde.
      Als er nach seinem Hut langte, fiel sein Blick auf die herumflatternde Krempe. Schon zehnmal hatte ihn seine Frau ermahnt, einen neuen zu kaufen.
      »Man wird dir noch Almosen geben!«
      Am Boulevard Saint-Michel entdeckte er einen Hutladen. Er ging hinein. Aber die Melonen, die er probierte, waren alle zu klein.
      »Ich versichere Ihnen, dieser hier paßt«, versuchte ein Verkäufer ihn hartnäckig zu überzeugen.
      Maigret fühlte sich immer unwohl, wenn er etwas anprobieren sollte. Im Spiegel, in dem er sich betrachtete, bemerkte er einen Rücken mit Kopf, und auf diesem Kopf saß ein Zylinderhut.
      Da der Kunde einen grauen Sportanzug trug, machte er eine komische Figur.
      »Haben Sie«, fragte der Herr, »vielleicht ein älteres Modell? Ich werde ihn nicht tragen …«
      Maigret wartete jetzt auf eine größere Nummer, die man vom Lager holte.
      »Ich brauche ihn für einen lustigen Anlaß. Wir wollen eine Bauernhochzeit in einer Landkneipe aufführen, mit Braut, Schwiegermutter, Brautjungfern und allem, was dazugehört. Ich spiele den Bürgermeister und brauche einen entsprechenden Hut. Sehen Sie doch mal nach, ob Sie nicht solch ein vorsintflutliches Monstrum haben.«
      Der Mann begleitete seine Erklärung mit freundlichem Lachen. Er mochte Mitte Dreißig sein, war rundlich, hatte rosige Wangen und machte den Eindruck eines wohlhabenden Geschäftsmannes.
      »Vielleicht haben Sie einen mit flacher Krempe?«
      »Ja, ich glaube, damit können wir zufällig dienen. Ein Stück, das nicht abgeholt wurde …«
      Man brachte Maigret einen neuen Stapel Melonen. Schon der erste Hut paßte. Aber er zögerte, bis auch der Mann seinen Zylinder hatte. Dann verließ er den Laden und hielt ein Taxi an.
      Er hatte Glück. Der andere stieg in einen vor dem Geschäft wartenden Wagen, setzte sich ans Steuer und fuhr los.
      In der Rue Vieille-du-Temple ging er zu einem Trödler. Mit einem großen Karton, in dem er wahrscheinlich das passende Kostüm hatte, kam er nach einer halben Stunde heraus.
      Dann fuhr er nach den Champs-Elysées, in die Avenue de Wagram, und betrat eine kleine Bar, in der er kaum fünf Minuten
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