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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe
Autoren: Georges Simenon
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blieb. Eine etwa dreißigjährige, pummelige und vergnügt aussehende Dame begleitete ihn.
      Maigret sah zum zweitenmal auf seine Uhr. Der erste Zug, mit dem er zu seiner Frau hätte fahren können, war weg. Der nächste fuhr in einer Viertelstunde. Er zuckte die Achseln und sagte zum Taxifahrer:
      »Folgen Sie ihm!«
      Was er erwartet hatte, geschah. Das Auto hielt vor einem Hotel garni in der Avenue Niel. Das Pärchen eilte hinein. Maigret wartete eine Viertelstunde, dann folgte er den beiden. Auf einem Messingschild las er:

    Möblierte Zimmer, Vermietung auf kurze Zeit

    In einem eleganten Büro fand er die parfümierte Wirtin.
      »Kriminalpolizei! Es dreht sich um den Herrn und die Dame, die soeben …«
      »Ich verstehe nicht recht …«
      Nach einer Weile verstand sie.
      »Durchaus respektable Leute, beide verheiratet, regelmäßige Besucher … zweimal wöchentlich.«
      Draußen warf der Kommissar einen Blick in das andere Auto. Am Armaturenbrett war eine Art Geschäftskarte angebracht. Er las:

    Marcel Basso
32 , Quai d’Austerlitz, Paris

    Es rührte sich kein Lüftchen. Die Straßenbahnen und Autobusse, die zu den Bahnhöfen fuhren, waren über füllt. Die Taxis waren beladen mit Koffern, Liegestühlen, Angelruten und Fischnetzen.
      Der Asphalt leuchtete fast blau. Auf den Terrassen klapperten Tassen und Gläser. Drei Wochen waren jetzt seit der Hinrichtung Lenoirs vergangen. Man hatte nicht viel Aufhebens davon gemacht. Es war ein in seiner Art alltäglicher Fall, bandenmäßiger Raubmord. Maigret mußte an das zitternde Schnurrbärtchen denken. Er sah abermals auf die Uhr und seufzte.
      Zu spät! Seine Frau würde abends mit ihrer Schwester vergebens am Bahnhof warten und sagen:
      »Er ändert sich nicht.«
      Der Taxifahrer las Zeitung. Der Mann mit dem Zylinder erschien zuerst, blickte auf der Straße in beide Richtungen und winkte dann der Dame, die im Hausflur wartete.
      An der Place des Ternes stoppte der Wagen. Man sah durch die Rückscheibe, daß sie sich küßten. Sie drückten sich noch die Hände, als die Dame bereits ein Taxi herbeigewinkt hatte.
      »Weiter?« fragte der Fahrer Maigret.
      »Ja.«
      Den Mann, der die Landkneipe kannte, wollte er nicht wieder aus den Augen verlieren.
      Am Quai d’Austerlitz ein Riesenschild:

    Marcel Basso
Kohlen Groß- und Einzelhandel
Sommerpreise
    Ein schwarzer Bretterzaun umgab den Lagerplatz. Gegenüber ein Entladekai mit festgemachten Kähnen und sich türmenden Kohlenbergen.
      Inmitten der verschiedenen Schuppen ein großes, villenartiges Gebäude. Monsieur Basso parkte das Auto, warf einen Blick auf seine Kleidung, um sich zu überzeugen, daß nicht etwa ein Frauenhaar vorhanden war, und ging hinein.
      Maigret sah ihn in einem Zimmer im ersten Stock erscheinen. Die Fenster waren weit geöffnet. Bei ihm war eine große, hübsche Blondine. Beide lachten und unterhielten sich lebhaft. Monsieur Basso setzte seinen Zylinder auf und blickte in den Spiegel.
      Koffer wurden gepackt. Eine Hausangestellte in weißer Schürze half ihnen.
      Eine Viertelstunde später, es war jetzt siebzehn Uhr, kam die Familie herunter. Zuerst ein zehnjähriger Junge mit einem Luftgewehr, dann die Hausangestellte, Madame Basso, ihr Mann und ein Gärtner, der die Koffer trug …
      Es war ein Bild des absoluten Friedens. Autos, die aufs Land fuhren, rollten vorüber. In der Gare de Lyon pfiffen die mehrfach verstärkten Züge ihr höllisches Konzert.
      Die Eheleute saßen nebeneinander. Hinter ihnen zwischen den Koffern saß der Junge. Er kurbelte die Fensterscheibe herunter.
      Der Wagen war kein Luxusauto. Ein guter, königsblauer, fast neuer Serienwagen.
      Wenige Minuten später war man auf dem Wege nach Villeneuve-Saint Georges, dann ging es durch Corbeil und dann der Seine entlang auf einem ausgefahrenen Weg.

    Monloisir

    So hieß die Villa dort am Flußufer zwischen Morsang und Seineport. Sie war neu, wie der frische Anstrich verriet, und die Blumen im Garten sahen aus, als hätte man sie eben erst abgeduscht.
      Boote und Wasservögel auf der Seine.
      »Wissen Sie hier Bescheid?« fragte Maigret den Fahrer.
      »Einigermaßen.«
      »Kann man irgendwo übernachten?«
      »In Morsang. Oder bei Marius in Seineport.«
      »Oder in der Pinte?«
      Der andere blickte verständnislos.
      Sie konnten nicht lange unbemerkt hier halten. Die Familie Basso war längst ausgestiegen, und nach
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