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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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mir für Mallorca zu gut bin, sondern weil das Haus in Monte Choriche sich erstmal amortisieren muß. Also hab’ ich für die nächsten zehn Jahre keine Wahl. Was ich sagen will: Ich hasse es, wenn man sich für was Besseres hält, bloß weil man sich was Besseres leisten kann. Hat nicht jeder gleich viel Glück. Ja, zugegeben, nicht jeder bringt auch die gleiche Leistung, aber da ist ja auch ein bißchen Glück dabei. Ein bißchen was ist ja auch angeboren. Und der Rest kommt von der Kinderstube. Hat nicht jeder einen Architekten zum Vater, der ihm beibringt, wie man sich richtig organisiert. Darf nicht jeder von Haus aus das Gymnasium besuchen. Oder muß. Ich werde jedenfalls immer fuchsteufelswild, wenn ich diese dünkelhaften Sprüche höre wie: „Also nach Mallorca ginge ich nicht für geschenkt“ oder „diese Opelfahrermentalität, Opel ist doch echt das letzte“ oder in der Richtung. Ich kann das echt nicht ertragen.
    Grade wir, sage ich dann immer, grade wir, die wir aufgrund unserer Privilegien über diesen Dingen stehen könnten, grade wir benehmen uns wie diese Leute, wenn wir uns auf unseren gehobeneren Standard was einbilden. Was ist denn schlimm an einem Opel, frage ich dann, bloß weil wir keinen fahren, ist er doch noch keine Schande. Gerade die Leute, sage ich dann manchmal, über die ihr euch stellt, diese Leute würden vielleicht so reden wie wir, würden sich was einbilden auf ein Statussymbol; der Opelfahrer schaut vielleicht herunter auf den Mitsubishi oder Ford; dem Opelfahrer stünde vielleicht solch ein Dünkel gerade noch an, weil er aufgrund seiner weniger privilegierten Verhältnisse nicht drübersteht. Aber wir, wir sollten das doch eigentlich nicht nötig haben. Man macht doch kein Aufhebens von seinem BMW. Das ist doch stillos. Das hat man doch nicht nötig. Schlimm genug, wenn die Opelfahrer ihren Sozialneid sozusagen von unten nach oben rauslassen. Aber andersrum? Das ist doch unter unserer Würde. Sag’ ich dann immer.

Extra Stout
    Der letzte lebende Ire

    Hey Ho Diddlediday, Diddledi Diddledi Day Day Day, Hey Ho Diddlediday … ja, er weiß, ihn gibt’s eigentlich gar nicht mehr. Irish Folk ist aus der Mode. Überhaupt Irland. Es kommt noch nicht mal mehr bombenanschlagsmäßig in den Nachrichten vor. Als Existenzform vor allem ist es nicht mehr populär. Wenn man außer Irish Coffee in spießigen Pinten oder Irish Moos beim Schlecker-Markt mal was von Irland hört oder sieht, dann in Form eines Reiseziels für Familien, die die Bretagne satt haben, oder dieses Elektrogedröhne von U2 oder wie diese neuen Bands alle heißen. Aber ihn gibt’s noch. Er heißt Axel, ich kann ihn Paddy nennen. Er hat durchgehalten. Wie dieser Japaner, der dreißig Jahre nach Kriegsende die Amerikaner im Dschungel bekämpft hat. Beziehungsweise hätte. Wenn welche vorbeigekommen wären.
    Hört er im Kaufhaus einen kleinen Jungen von Joyces Tick reden, geht ihm das Herz auf. Erstens denkt er, sieh mal an, ein Junge, der Bücher liest und zweitens auch noch von einem irischen Autor. Dann ist er allerdings enttäuscht, denn der Verkäufer gibt dem Kleinen eine Schachtel, die unmöglich ein Buch enthalten kann.

    Der Junge wollte einen Joystick. Paddy hat sich in die Computerabteilung verirrt.
    Viele sind sie nicht mehr, aber es gibt sie noch. Was ich denn glaube, wer all die Jahre, als die andern sich in die Tigerhose zwängten, ihre Hawaiihemden mit Haargel bekleckerten und glitzernde Schmiere um die Augen trugen, was glaub’ ich, wer in all diesen Jahren den Folk Club am Laufen gehalten hat? Sicher, nicht nur er. Da sind auch noch Jörg und Schimmi. Jörg steht auf Country und Schimmi will eigentlich nur immer Streets of London hören, aber sie sind ein gutes Team, denn soo weit ist das alles gar nicht voneinander entfernt. Country ist ja aus irischer Musik entstanden, jedenfalls zum Teil, und Streets of London ist ‘n guter Song. Überhaupt, Eddi und Finbar Furey, nein, das hat jetzt nichts mit Pferden zu tun, mit dem Witz nervt ihn Jörg schon die ganze Zeit, Eddi und Fin, wie sie sie nennen, sind die größten. Die schlucken vielleicht was weg. Mein lieber Mann. Deshalb ist man auch achtundsiebzig aus dem evangelischen Gemeindehaus ausgezogen und seitdem hier in Bernies Pub. Auf die Dauer ließen sich diese Mengen Guinness, Budweiser und Löwenbräu, die sie pro Gig brauchten, nicht mehr am Pfarrer vorbeischmuggeln. Guinness für Paddy und seine Leute, Budweiser für Jörg, und Löwenbräu
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