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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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die Arme, boxen sich in die Rippen, hauen sich auf die Schultern und glauben, da sei nichts Sexuelles dabei. Ha, ha, kann Edoardo da nur lachen, ha, ha. Sie halten ihre homoerotischen und, wie Edoardo betonen möchte, ganz natürlichen und gesunden, ja eigentlich sogar in hohem Maße zivilisierten Neigungen derart unter dem Deckel, daß sie selber nichts davon bemerken. Ich sage nur Fußballplatz, wirft Edoardo gern im Falle einer unqualifizierten Widerrede ein.
    Durch Edoardos Aufklärungsarbeit hatten schon einige ihr Coming out. Aber ja. Das Schöne daran ist eine Art jus primae noctae, das für ihn dabei rausspringt. Dankschreiben aus aller Welt, könnte Edoardo sagen, wenn das nicht seinem Stil widerspräche. Der Spruch liegt ihm schon mal gelegentlich auf der Zunge, aber er storniert ihn dann doch jedesmal wieder, weil er einfach nicht die Klasse hat. Dankschreiben aus aller Welt, sagt ein Schaustellergehilfe, der sich in einer Pornopostille unter der Rubrik „Mache alles mit“ anpreist. Mit genauer Zentimeterangabe. Nicht Edoardos Niveau. Leider.
    Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin der letzte, der ihm noch widerspricht. Vielleicht liegt es daran, daß ich so oft noch spät in seiner Bar sitze, immer nüchtern, weil ich noch fahren muß und deshalb in der Lage, meine Gegenposition noch zu formulieren. Kann auch sein, daß er mich als Lieblingsgegner erkoren hat, daß ich sein Sparringspartner bin, an dem er die linken Haken seiner Argumentation trainiert. Ich weiß es nicht. Ich erkläre ihm jedenfalls, daß ich schon mit Männern schlafen könnte, aber nicht will. Man sei doch nicht schwul, sage ich, wenn man die Wahl habe, sondern wenn man die Wahl treffe. Ich aber, sage ich, hätte die andere Wahl getroffen. Ein Mörder sei man, wenn man jemanden töte, nicht wenn man die Möglichkeit dazu hat. Das ist jetzt typisch, sagt Edoardo, damit hast du dich verraten. So was Abschreckendes mußt du als Beispiel wählen, mußt dich selber mit sowas Verbotenem erschrecken, damit du ja nicht in Versuchung kommst. Viel Feind, viel Ehr’, sagt er, viel Angst, viel Wahrheit. Du fürchtest dich so vor dem Schwulsein, weil es ganz nah an der Oberfläche ist. Vor ein paar Jahren hast du bestimmt noch „homosexuell“ gesagt, anstatt „schwul“. Hast dich damit ganz tolerant gefühlt und nicht gewußt, daß homosexuell schon seit Jahren das Spießerwort ist. Wer homosexuell sagt, geniert sich, will den Paragraphen 175 zurück, setzt Schwule mit Päderasten gleich und würde seinen Sohn sofort von der Schule nehmen, und das alles nur, weil er sich vor Ansteckung fürchtet. Ansteckung jetzt mal nicht im aidsmäßigen Sinn, sondern im libidinösen. Und stimmt’s vielleicht nicht?
    Stimmt nicht, sage ich, ich sage nicht mehr homosexuell , seit ich mit Schwulen befreundet bin und das ist schon wesentlich mehr als ein paar Jahre her. Na siehst du, sagt er, und wieso bist du mit Schwulen befreundet? Na, wo die Liebe halt hinfällt, sage ich, und damit habe ich die heutige Ausscheidung verloren. Das Wort Liebe hätte ich nicht gebrauchen dürfen.
    Seines Sieges sicher, erläßt mir Edoardo die Rechnung. Dafür nennt er mich Schwester und beißt mir ins Ohr. Als ich mich schüttele, er weiß genau, daß ich das nicht leiden kann, auch von Frauen nicht, lacht er und sagt: „Laß es doch zu, laß es doch zu.“
    Ich stehe auf und sage: „Du kannst doch nicht jemanden zum Schwulsein überreden, du benimmst dich ja grad’ wie eine Werbeagentur.“
    „Das ist unsere Art der Nachwuchsbeschaffung“, sagt er und ich gehe, rhetorisch geschlagen, aber immer noch heterosexuell, nach Hause. Er bringt mich nicht durcheinander, Edoardo nicht. Ich habe nämlich ein absolut unschlagbares Argument gegen seine Theorie. Ich kann ihn nicht leiden.

Neid ist doch kein Thema
    Der, der echt keinen Dünkel hat

    Also dieses dauernde Gerede über Autos ist blöd. Aber jetzt mal bloß ein Beispiel: Natürlich kann man einen Opel fahren. Das ist völlig in Ordnung. Das sind gute Autos. Und selbstverständlich kann man in einem Reihenhaus wohnen, da gibt es sogar ausgesprochen schöne inzwischen. Könnte ich selber schwach werden, wenn ich nicht schon meinen Gründerjahre-Traum mit Baumbestand und Ausblick hätte. Ist auch überhaupt nichts dabei, nach Mallorca zu fliegen. Da gibt es noch ganz schöne, unberührte Flecken. Es müssen nicht die Malediven sein oder die Seychellen. Nur für mich ist dieses Thema erledigt. Aber eben nicht, weil ich
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