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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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Jede Lichtfirma, jeder Anlagenheinz und jede Provinzband pappt einem den Sticker auf’s Gear. Sticker heißt Aufkleber, Gear heißt Gerät. Provinzbands können’s noch schaffen, jeder Sticker kriegt ein Jahr. Wenn die Kapelle dann nicht in den Charts ist, dann kommt der Fetzen ab und Tschüß. Ab nach Scheißeaufrädernhausen. Man kommt nicht um die Provinzbands rum. Sie spielen auf Festivals, sie spielen als Vorgruppe bei einem Top-Act und wenn Charlie mal nicht ganz so ausgebucht ist, dann nimmt er auch Gigs bei kleineren Rockveranstaltern an. Phil Collins ist ja nicht jeden Tag auf Tour. Außerdem ist Nachwuchsförderung auch gar nicht so falsch. Damals die Stripes. Er hat ihnen zehn nach eins noch Pizza besorgt. Nicht verzagen, Charlie fragen. Sie waren begeistert. Die waren eine Provinzband und bezahlten zweitausend pro Gig, damit sie das Vorprogramm bei den Kinks machen durften. Es störte sie nicht, daß sie nur das halbe Licht benutzen durften , daß der Mixer von den Kinks ihnen einen mülleimermäßigen Sound hindrehte, daß ihre Backline, ja, ja, das sind die Verstärker, die Amps und das ganze Geraffel mit Ständern, Ersatzgitarren, Drums, Keyboards undsoweiter, also daß ihre Backline innerhalb von zehn Minuten abgebaut werden mußte. Natürlich ohne Zugabe. Selbst wenn die Kids eine gewollt hätten, was aber bei dem Sound sowieso nicht vorkam. Jedenfalls, er hat ihnen Pizza geholt, obwohl er eigentlich mit den Kinks da war. Die Sängerin war so ein geiler Zacken . Na und bitte, ein Jahr später hießen die Stripes nicht mehr Stripes, sondern Nena und er machte drei Touren mit ihnen. Ab der zweiten schon als Gitarrenroadie von Carlo. Aufbauen, Saiten wechseln, stimmen und die richtige Axt beim richtigen Song rausreichen, ja, Axt heißt Gitarre, das war sein Job. Und manchmal auch ein überzähliges Mädchen…, na ja, das muß jetzt nicht breitgetreten werden. Ein guter Roadie steht unter Schweigepflicht .
    Charlie fährt Intercity zweiter Klasse. Obwohl Fritze Rau und Mama Concerts schon lange die Anfahrt erster Klasse raustäten. Aber zweiter Klasse kommt leutemäßig besser. Der Altersdurchschnitt ist einfach angesagter. In der ersten Klasse sitzen Leichen auf Urlaub, die wissen nicht, was ein Roadie ist, nennen es Raudi und verwechseln’s mit Vandale. Beklagen sich über seinen Walkman und zupfen an ihren Lodenlappen, wenn er sich neben sie setzt. Und interessieren sich plötzlich brennend für Bottrop oder Bietigheim oder was da gerade vorbeifährt. In der zweiten gibt es Kids. Die übersetzen zwar den Begriff Roadie manchmal mit Aufbauhelfer, was völlig falsch ist, ein Roadie ist ein Koordinator, ein Bodyguard und ein Allround-Spezialist, aber sie fangen wenigstens was damit an. Und sie werden bleich, wenn er das Foto von sich und Bono raustut, wie sie gerade mit Lindenberg und Niedecken bei Maffay Chor singen. Kids sind zwar auch Scheiße auf Rädern, aber ganz ohne geht es nicht. Das Licht ist nichts ohne die Dunkelheit. Das ist irgendwie Buddhismus, oder so. Um nicht Scheiße auf Rädern zu sein, braucht man Scheiße auf Rädern, sonst merkt man’s nicht. Und außerdem hat jeder mal klein angefangen.

Überzeugungsarbeit
    Der, der beim besten Willen
    nicht schwul ist

    Edoardo hat Stil. Eigentlich heißt Edoardo Erwin, aber seit er den Teint gewechselt hat von fleischfarben zu Umbra gebrannt, seit er dieses Häuschen in der Nähe von Perugia besitzt, seit er den Lancia Thema fährt und nicht zuletzt seit er seine beiden Gipskopien des David von Michelangelo durch bronzene Repliken des Wagenlenkers von Delphi ersetzt hat – seitdem hat er Stil. Und ein Mensch mit Stil heißt nicht Erwin. Wer den Fehler macht, ihn bei diesem abgelegten Namen zu rufen, riskiert, daß Edoardos Teint von Umbra gebrannt in Richtung Umbra grünlich changiert und Edoardo ihm Lokalverbot gibt. Das ist insofern hart, als Edoardos Bar der Treffpunkt ist. Man kann dann gleich umziehen und irgendwo neu anfangen.
    Außer Stil hat Edoardo auch noch eine Theorie. Je später der Abend, je schöner die Gäste und je ausgeschöpfter der Daiquiri-Rahmen, desto begeisterter kommt Edoardo auf seine Theorie zu sprechen. Alle sind schwul. Alle Männer nur, natürlich. Das meint Edoardo jetzt nicht frauenfeindlich, einige seiner besten Freunde sind Frauen, es geht jetzt halt mal nur um die Männer. Also, alle sind schwul, nur die

    meisten geben es nicht zu und die allerwenigsten wissen überhaupt davon. Sie nehmen einander in
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