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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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das ski hinzugefügt.
    Das konnte nur meine Mutter gewesen sein. Damals war ich achtzehn und leicht pummelig. Ich stand in der Garage und erkannte, dass ich in ihren Augen vollkommen missraten war, dass sie mich zu dem hatte machen wollen, was sie nie war – gebildet und doch unterwürfig. Was für ein verwirrender Widerspruch, wenn man bedachte, wie ich von dieser starken, stolzen Frau großgezogen worden war, einer Frau, mit der sich die Männer nicht anlegten, nicht mal damals in den Fünfzigern.
    Meine Mutter nennt meinen Vater immer nur Pulkowski, etwa: »Mach mir mal ein Bier auf, Pulkowski«, oder: »Komm mal her und gib mir Feuer, Pulkowski« oder: »Pulkowski! Bring das Kind ins Bett und schau dir mit mir das Spiel an«. Nie hatte sie etwas von einem Prinzesschen an sich, nie.
    Wäre ich doch in diesem schrecklichen letzten Ehejahr ein bisschen mehr wie sie gewesen, als Teddys Rücken unser Bett wie eine Wand aus kaltem Marmor teilte.
    Selbst wenn meine Eltern sich für eine Party in Schale warfen, für die meine Mutter uns alle mit ihrem Parfüm einnebelte und ihr weites, langes Tanzkleid, ihre Perlenkette und den roten Lippenstift trug, selbst dann noch zwinkerte sie meinem Vater in seinem besten Anzug zu und sagte: »Feiner Zwirn, Pulkowski. Und jetzt hilf mir mal mit dem verfluchten Reißverschluss.« Hätte ich doch Teddy nur mit dem gleichen Selbstbewusstsein herumkommandieren können! Nimm mich in die Arme, Stracuzza! Küss mich, verflucht noch mal!
    Die Art und Weise, wie meine Mutter mit meinem Vater spricht, schockiert mich immer noch und macht mich eifersüchtig. Seine Reaktion darauf ist der eigentliche Grund, warum ich meinen Nachnamen von Pulkowski zu Plow kürzte. Als ich zu Hause auszog und dann meinen Namen aus dem Mund anderer hörte, kam ich mir vor, als wäre ich mein Vater, der von Helen Pulkowski herumgescheucht wurde. Kaum hörte ich jemanden »Pulkowski« sagen, sah ich meine Mutter vor mir, eine Zigarette zwischen den schmalen roten Lippen, wie sie ihrem Mann verführerisch zublinzelte. Kein Artikel in der Cosmopolitan hat sich jemals auch nur ansatzweise mit dieser Art von Verführungskunst auseinandergesetzt.
    Während ich gegen zehn vor sieben gerade die Soße abschmecke, höre ich meine Mutter kommen. Zuerst wird meine unverschlossene Tür geöffnet, es folgt das leise Geräusch, als sie ihre Jacke über die Rückenlehne des Sofas wirft. Sie ist früh dran, wie immer, wenn sie einen Anlass für wichtig genug hält. Sie seufzt, räuspert sich und begrüßt mich endlich.
    »Guten Abend, Madame Butterfly.«
    »Ich bin in der Küche«, rufe ich aus meiner dampfigen kleinen Ecke, doch die Schritte meiner Mutter entfernen sich, statt näher zu kommen. Sie geht zum Schlafzimmer. Sie wird ein bisschen darin herumschnüffeln, ein paar Türen aufziehen, vielleicht noch den Arzneischrank durchforsten – und nach Zeichen der Bestätigung für Teddys Verschwinden Ausschau halten.
    Nur zu bald steht sie neben mir, die dünnen Handgelenke verschränkt, in der einen Hand eine Zigarette. Sie trägt eine gestärkte Bluse und eine blaue Polyesterhose. Auf der Suche nach Spuren des Leidens sieht sie mich prüfend an.
    »Hi, Ma«, sage ich und sehe von der Soße auf. Sie nickt knapp, wie eine Verkäuferin. Ich sehe ihr an, wie aufgewühlt sie ist. Wehe, wenn dieser miese Kerl ihrer Kleinen ein Leid zugefügt hat. Dann wird sie ihn sich vorknöpfen. Der Löffel kreist und kreist in der Soße, und mein Handgelenk bewegt sich, als würde ich ein Boot rudern.
    »Was ist denn? Bist du nervös?«, sagt sie. »Lass mich mal, bevor du noch ein Loch in den Topfboden kratzt.«
    Sie klemmt sich die Zigarette in den Mundwinkel, bevor sie mir den hölzernen Kochlöffel aus der Hand nimmt.
    »Mach mal Platz«, sagt sie und schiebt mich mit der Hüfte vom Herd weg. Ihre Salem Light wackelt über unserem Abendessen.
    »Ma, die Asche …«, warne ich sie.
    »Ja, ja, die Asche.« Sie starrt in die Soße. »Eines will ich dir mal sagen, Miss Asche. Es ist keine Schande, von einem Ehemann verlassen zu werden, der schon immer ein Nudnik, ein Nichtsnutz und Langweiler war.«
    »Ma!«, rufe ich und nehme ihr den Löffel wieder ab. Wir können nur miteinander reden, wenn wir rühren. »Du hast ihm von Anfang an keine Chance gegeben«, sage ich zur Soße.
    Meine Mutter schnaubt verächtlich und breitet die ausgestreckten Hände vor sich aus. »Teddy ist ein Potz«, erklärt sie gelassen. »Und jetzt hat er dich verlassen.
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