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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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Nagel reißen.«
    »Ich weiß, dass ich ein toller Kerl bin«, ruft er laut, als ich mich vorsichtig danach umsehe, ob uns irgendwelche Betreuer hören könnten, »aber ich bin auch ein bisschen beschränkt .«
    »Wir sind alle ein bisschen beschränkt«, erinnere ich ihn, doch das scheint Milton nicht zu trösten. Ich drücke seinen Arm und sehe ihm geradewegs in die Schokoaugen. »Ich wünschte, ich könnte in die Zukunft sehen«, sage ich zu ihm. »Ich bin aber nur deine Betreuerin.«
    »O nein«, erwidert er. »Sie sind nicht nur meine Betreuerin. Sie sind die Dame mit dem schönen Gesicht.«
    Mickey und Milton müssen zurück in den SaveWay. Ich begleite sie zu Mickeys Wagen, ich, die Dame mit dem schönen Gesicht. Milton geht wie ein eifriger Roboter vor uns her. Ham hat ihm den Schlüssel gegeben, um das Auto aufzusperren, und er nimmt diese Aufgabe sehr ernst. Mickey und ich schlendern langsam hinterher und genießen es, kurz miteinander allein zu sein.
    »Ich könnte uns heute Abend etwas kochen«, schlage ich vor. »Ich werde früh genug von meinem Vater zurückkommen.«
    Es fällt noch kein Schnee, aber der Sturm scheint so nahe bevorzustehen, dass ein erwartungsvoller Schauer über meine Arme läuft. Wir gehen Hand in Hand über den Parkplatz und denken beide an die erste Nacht seit Wochen, die wir allein in der Wohnung verbringen werden.
    »Ist dir nach etwas Bestimmtem zum Abendessen?«, frage ich.
    »Nach dir«, sagt Mickey und drückt meine Hand.
    Wir wussten ja bereits, dass er ein Fleischfresser ist.
    »Erinnerst du dich noch an die netten roten Dessous, die du einmal für Marcie und Seanie vorgeführt hast?«
    Ich nicke. Meine Wangen glühen so heiß, dass man Schnee damit schmelzen könnte.
    »Warum ziehst du die nicht an, wenn ich nach Hause komme?«
    Ich erwidere seinen Händedruck. »Warum nicht, Mr Ham?«, sage ich. »Warum tue ich das nicht?«
    Als wir am Wagen ankommen, sitzt Milton bereits drin. Sein schönes, besorgtes Gesicht blickt durch das Fenster zu uns heraus. Ich drücke Hams Hand ein letztes Mal und lasse sie dann los. Sie werden zurück zum SaveWay fahren, und er wird Milton wieder zum Einpacken schicken. Ich fahre Pulkowski zurück in das Zuhause meiner Kindheit und fange mit Marcies Hilfe an, daraus einen Ort zu machen, an dem er wieder leben kann. Und während mein Großvater sich auf seine erste ganze Nacht allein vorbereitet, werde ich heute Abend in meine feuerwehrroten Dessous, die so knapp wie Gummibänder sitzen und ein Geschenk meines Exmannes sind, schlüpfen und mit einem Mann mit lustigen Koteletten schlafen, dem Mann, den zu lieben ich vielleicht geboren wurde.
    Als ich zurück ins Esszimmer der Wohngruppe komme, entdecke ich Pulkowski, der es sich auf einem steiflehnigen Stuhl bequem gemacht hat und von Eleanor und ihren Mitbewohnern belagert wird. Manche von ihnen tragen noch immer die Theaterschminke. Die kleine grauhaarige Mitbewohnerin, die ich schon an Thanksgiving kennengelernt habe, tätschelt Pulkowski den Kopf und strahlt ihn an. »Er ist ja so süß!«, sagt sie immer und immer wieder. Pulkowski scheint das nichts auszumachen. Zum ersten Mal seit Wochen sehe ich ihn lächeln.
    »Nehmen Sie etwas von der Torte mit!«, ruft Eleanor mir zu und eilt mit einem in Frischhaltefolie verpackten Pappteller herbei. In der Glasur ist ein eckiger Abdruck, dort, wo vorher der Absatz des Schuhs steckte. Ich danke Eleanor, nehme den Teller und sage ihr noch einmal, wie großartig ihr Auftritt war. Sie umarmt mich so fest, dass eine zartere Person Verletzungen davongetragen hätte. Doch ich habe starke Knochen und mein Herz ist übervoll, und selbst wenn Eleanor für den Rest ihres Lebens im Schlafanzug zur Arbeit erscheint, selbst, wenn sie gefeuert wird, kann ich doch nicht anders, als die außergewöhnliche Entwicklung dieses meines ganz speziellen Schützlings zu bemerken.
    Ich setze Pulkowski ins Auto und stelle ihm die Torte auf die Knie. »Bereit?«, frage ich und lasse den Motor an. Er nickt und schenkt mir eins seiner berühmten Daddy-Lächeln.
    »Marcie wird da sein, um uns zu helfen«, erinnere ich ihn. Wieder nickt er.
    Eleanor winkt uns vom großen Panoramafenster aus zu, als wir den Parkplatz der Wohngruppe verlassen. Wir werden Helens Haus wieder in Besitz nehmen. Endlich fällt auch der Schnee. Braune Rasenflächen verschwinden unter einer dünnen weißen Schicht, so zart wie Spitze. Ich stelle Pulkowskis Lieblingssender im Radio ein, und wir lauschen Peggy
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