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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück
Autoren: Mary E Mitchell
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Das ist alles.«
    Ich umklammere den Löffel so fest, dass meine Knöchel knacken. Etwas an meiner Jiddisch sprechenden, katholischen Mutter, für die mein Mann ein Potz ist, erinnert mich an früher. Als ich noch ein Kind war, pflegte sie mich jedes Jahr in den Plymouth Kombi zu laden und zum Fotostudio der Gebrüder Bascome zu kutschieren, um mich dort ablichten zu lassen. Mr Bascome platzierte mich auf einem Teppichwulst in Beige und zog dann hinter mir mit Bildern bedruckte Rollos herunter. Saß ich zuerst zwischen den Ästen eines blühenden Kirschbaums, waren es – wieder ein Rollo – im nächsten Moment ein Weihnachtsbaum und ein Kamin. Ein letztes Rollo und ich schwebte in strahlendem Blau, als wäre ich gestorben und Mr Bascome fotografierte mich nun oben im Himmel. Ich bekam jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sein behaartes Handgelenk über mich hinweggriff und meine Welt austauschte. Genau das tat auch meine Mutter mit ihren knappen, schneidenden Bemerkungen, mit denen sie mein Leben gemäß ihrer eigenwilligen Ansichten beurteilte.
    »Ma«, sage ich und rühre immer noch wie wild, sodass die Soße aus dem Topf und bis auf die Regale spritzt. »Du hast nicht die geringste Ahnung.«
    »Eins weiß ich«, sagt sie, schnappt sich den Löffel und deutet auf eine imaginäre Tafel über uns. »Nicht mal Oprah Winfrey verschwendet noch eine Sendung an das Thema ›Mein Mann hat mich wegen meiner besten Freundin verlassen‹. Wie vorhersehbar! Wie uninteressant! Das ist« – jetzt deutet meine Mutter mit dem Löffel auf mich – »einfach unter deiner Würde, Rosie! Du warst auf dem College! Du warst unter den Jahrgangsbesten!« Die Soße tropft auf meinen weißen Kachelboden und sieht dort aus wie echtes Blut. »Deine Probleme sollten mehr Niveau haben als dieser Potz, der dich wegen einer unechten Blondine verlässt.«
    »Ma! Leg den Löffel weg!«, kreische ich und entwinde ihr das Corpus Delicti mit einer Technik, die ich für meine Arbeit mit den Autisten gelernt habe. Ich atme tief durch und versuche, Ruhe in das Ganze zu bringen. »Nicht alles im Leben dreht sich ums Fernsehen!«, rufe ich. »Es tut mir leid, dass meine Probleme nicht zeitgemäßer sind, aber ist dir schon mal die Idee gekommen, dass diese Trennung vielleicht nur vorübergehend sein könnte?«
    »Ich bitte dich!«, schnaubt meine Mutter, und eine Wolke aus Rauch – oder Dampf – kommt aus ihrem Mund.
    »Ma!«, kreische ich erneut und wedele mit dem tropfenden Löffel wie mit einem Taktstock. »Ich will damit sagen, dass du einfach nicht genug Einblick hast! Du kannst doch Teddy nicht einen Potz nennen, wenn du so wenig Bescheid weißt! Er ist mein Mann. Das ist meine Ehe. Ich entscheide, wer hier der Potz ist. Ich entscheide es!«
    Ich lege den Löffel weg, greife in den Schrank über dem Herd und nehme die Teller heraus. Meine Mutter ist erstaunlich still. Als ich gerade mit der Salatschüssel beschäftigt bin, spüre ich ihre Finger, die leicht in meine Taille kneifen. »Hm«, murmelt sie, »die meisten Frauen nehmen ab, wenn ihre Männer sich aus dem Staub machen.«
    »Ma!« Ich fahre herum und knalle die Schüssel viel zu heftig auf die Arbeitsplatte.
    »He«, sagt sie. »He, he, he.« Freundlich tätschelt sie mir die Wange. »Sind ja nur ein paar Pfunde.« Sie nimmt eine dicke Strähne meiner langen Haare zwischen die Finger.
    »Du bist so ein hübsches Mädchen, Rosie«, säuselt sie.
    »Sieh dich nur mal an, dieses wunderbare kastanienbraune Haar, das hast du von deinem Vater.« Sie schnippt ihre Zigarette in meine Spüle. Ich mache einen Schritt zurück und sehe sie so kühl wie möglich an.
    »Ich kann es einfach nicht glauben, dass du mein Leben beurteilst, als wäre es eine Talkshow.«
    »So schlimm wie bei Jerry Springer geht es ja nicht zu, so viel ist sicher. Schließlich hast du nie auf den Kerl eingedroschen. Was ich nur zu gern getan hätte, ungefähr hundert Mal …«
    »Es reicht!«, verkünde ich und lasse kaltes Wasser über ihre Kippe laufen. »Wir essen jetzt.«
    Etwas an meiner Ankündigung bringt sie zum Schweigen. »Soll ich die Salatteller hinstellen?«, fragt meine Mutter unschuldig.
    Wir verzehren die Spaghettisoße meiner Schwiegermutter wortlos. Nachdem sich meine Mutter nach dem Essen auf den zehneinhalb Meilen langen Rückweg nach Commack gemacht hat – über den Veterans Highway, und dann noch ein kurzes Stück über die Autobahn –, sitze ich am Tisch und starre den Salzstreuer an. Meine Mutter hat
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