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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient
Autoren: Jack Womack
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    »W IR SPRECHEN SPÄTER , O'M ALLEY «, vertraute mir Mister Dryden an, als er am Morgen in den Wagen stieg; ich saß als bewaffneter Begleitschutz neben Jimmy, dem Fahrer. »Ich habe einen Plan.«
    Jimmy schätzte die Fifth Avenue als die sicherste Route zum Stadtzentrum. Wir fuhren einen Castrolite, sieben Meter lang, zweivierzig breit, durchaus manövrierfähig, solange man nicht im Stau steckte. Wir waren einigermaßen sicher und hatten uns daran gewöhnt. Vater sagte immer, man könne sich an alles gewöhnen, was einen nicht umbringt. Er war tot.
    »Na los!« sagte Mister Dryden.
    Der Bordcomputer machte Jimmy auf innere Störungen aufmerksam, schalt ihn freundlich, wenn es schlechte Nachricht gab. Das Chassis war gepanzert. Darunter verlief rundum eine Drahtschürze; kein Spaßvogel konnte einen Brandsatz unter den Wagen rollen. Auf Knopfdruck wurde eine Elektroabschirmung hoher Voltspannung eingeschaltet und verbrannte Bösewichtern, die Verdrießlichkeiten anbringen wollten, die Finger. Im Bedarfsfall standen weniger passive Möglichkeiten zu Gebote. Wenn alles andere versagte, beschirmten meine Hände; es gab keine sichereren Hände als meine.
    »Wo?« fragte Jimmy.
    Mister Dryden liebte E, wie schon sein Vater. ›Don't Be Cruel‹ drang aus dem CD-Spieler, als wir dahinrollten. Er hatte alles, was er brauchte, im Fond des Wagens: eine Bar, einen Fernseher, ein bis oben vollgestopftes Drogenfach, einen Kurzwellensender der Heimatarmee, zwei Telefone, einen IBM XL 9000, ein Kopiergerät und ein Bidet. Das Bidet war für Avalon; Avalon war für Mister Dryden.
    »Buchhandlung«, sagte er.
    Avalon liebte wenig; sie saß neben Mister Dryden. Der Fernseher auf ihrer Seite war wie immer auf Vidiac eingestellt. Ich konnte den Bildschirm nicht sehen; konnte nur (wenn ich gut hinhörte, denn Mister Drydens Musik spielte immer mit voller Lautstärke) technische Geräusche ausmachen, kühl und fern. Moderne Musik, alles Klangfarbe und Modulation und Furze und Rülpser und Schluchzer, konnte mich nie anziehen, und die schrille Losgelassenheit der Ambientgruppen – deren Musik im Fernsehen niemals zu hören war – geht mir übermäßig auf den Geist. Ich bevorzuge die Musik der schon lange Toten.
    »Rapido«, fügte er hinzu.
    Ich liebte Avalon; ich sah ihr beim Ankleiden zu. Ihr Haar war kurzgeschnitten, keine drei Zentimeter auf dem Scheitel; sie zog eine schulterlange blonde Lockenperücke über. In diesem Augenblick trug sie nur ihre Perücke; ihre Nacktheit war freilich nie völlig zusagend, solange sie nicht ihr Gebiß angebracht hatte. Proxies wie Avalon waren gesetzlich verpflichtet, sich die Zähne vom Gesundheitsdienst ziehen zu lassen, so daß sie ihrer Frustration nicht in unzuträglicher Weise Luft machen konnten. Sie hatte sich bei Mister Dryden eingehängt, nachdem sie die übliche Zeit als Animiermädchen gedient hatte; sie war zwanzig und seit zwei Jahren bei uns. Ich war seit zwölf Jahren sein erster Leibwächter und inoffizieller Geschäftsberater; sie war mit ihrem Job so zufrieden wie ich mit meinem.
    »Ta raas«, seufzte Jimmy.
    Avalon lächelte mir zu und spreizte die Beine, wie um die Sonne einzulassen. Der Anblick ihres Gesichts ließ das trübe Licht des grauen Himmels freundlicher erscheinen. Dieser Morgen war bedeckt; so war es meistens.
    »Wie geht's bei dir, O'Malley?« fragte sie.
    »Leidlich«, antwortete ich.
    Wir hielten an der Ampel 86. Straße. Nicht nur ich war entbrannt; fünf rohe Jugendliche hatten bei der Mauer des Parks einen Penner angezündet und sahen zu, wie er nußbraun getoastet wurde. Jungen der Heimatarmee hielten im Umkreis des Parks ständig Wache und sicherten die Betonfläche um die Met; brusthohe Rollen aus Nato-Stacheldraht verstärkten diese Umwallung zusätzlich. Gleichwohl standen schon früh am Morgen ungezählte Bourgeois am Eingang zur Met im Schatten von Panzerkanonen Schlange und warteten, daß man ihnen wegen Überfüllung den Zutritt zur großen Ausstellung der Kunst der Naturvölker verwehren würde, über die sie später dann quaken konnten, als ob sie sie wirklich gesehen hätten.
    Straßenlümmel und Jungen der Heimatarmee – keiner älter als sechzehn – starrten unseren Wagen an. Avalon beugte sich zum Fenster und drückte ihre Brüste gegen die Scheibe. Sie wußte, daß man sie durch das Einwegglas nicht sehen konnte, aber das machte ihr nichts aus – auch Mister Dryden nicht, der sie ignorierte.
    »Jah!« rief Jimmy und wich aus. Ein Taxi
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