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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Autoren: Janine Binder
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Päckchen, diesmal mit Gras. Im Kofferraum entdecken wir schließlich ein ganzes Paket kleiner, aber leerer Portionsbeutelchen und eine große Tupperdose mit etwa sechshundert Gramm Marihuana.
    »Toller Fang, und das nur, weil er nicht angeschnallt war!« Ich parke den Wagen am Straßenrand, schließe ihn ab, und wir fahren ebenfalls zur Wache. Das Dope hab ich in einer großen Tupperdose verstaut und in den Kofferraum verbannt, damit unser Auto nicht den Rest der Nacht danach riecht.
    Auf der Wache ist der Arzt bereits eingetroffen und nimmt dem Burschen Blut ab. Der jammert, als ginge es um sein Leben. Eines haben sie alle gemeinsam, egal, wie cool sie auf der Straße sind: Wenn der Arzt die Nadel auspackt, wird gewinselt und hin und wieder sogar ein bisschen geweint.
    Ungerührt betrachte ich den Jungen, tüte seinen Führerschein ein und packe seine persönlichen Sachen in ein Kistchen. Ein Telefonat mit der Kriminalwache hat ergeben, dass sie ihn wegen der Menge an Gras erst mal vorläufig festnehmen wollen: Verdacht des Handels mit Betäubungsmitteln.
    All das erkläre ich ihm, und die Kollegen bieten sich an, ihn ins Gewahrsam zu fahren. Unsere Zellen auf der Wache sind ja nur für kurze Aufenthalte gedacht, und er wird warten müssen, bis der Haftrichter am nächsten Tag für ihn Zeit hat, während ich die Anzeigen wegen der Verkehrsdelikte und wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz tippe und die Kollegin das Gras wiegt und ordentlich verpackt.
    Mittlerweile stinkt die ganze Wache nach dem süßlichen Zeug, und die Kollegen meckern schon, ob wir nicht was Besseres zu tun gehabt hätten, als ausgerechnet einen Haufen Gras anzuschleppen. Ich zucke entschuldigend mit den Achseln, als zwei andere Kollegen mit dem Burschen eintreffen, der mit dem Auto seiner Mutter besoffen von zu Hause abgehauen war.
    »Heute scheinen wir sie ja alle zu kriegen!«, flötet unser Chef und bedeutet dem Arzt, dass er direkt eine weitere Blutprobe nehmen darf.
    Der Kleine zickt ein wenig rum und zieht immer wieder seinen Arm weg, bis es dem Kollegen reicht. Er legt seinen kräftigen Arm um das Genick des Jungen und verursacht durch den Nackenhebel einen ordentlichen Druckschmerz, während ich den Arm festhalte.
    »Stell dich nicht so an. Blut bekommen wir von dir auf jeden Fall, auch wenn du noch so zappelst!«, meint der Arzt und stößt ihm relativ unsanft die Nadel in den Arm.
    » FOLTER !«, kreischt der Bube genau in dem Moment, als seine Mutter mit wogendem Busen und wehenden Röcken in den Raum rauscht.
    » FOLTER ! DIR GEB ICH FOLTER ! Du hast Hausarrest, Spüldienst, und das Mofa bleibt die nächsten zehn Jahre in der Garage. Alkohol kannst du auch vergessen, Taschengeld ist gestrichen. Du kannst froh sein, dass ich dich überhaupt abholen komme!«
    Wir Polizisten verlassen grinsend den Raum, damit die Mama ihre Strafpredigt ungestört fortsetzen kann. Es tut gut, auch mal Eltern zu erleben, die die Fehler bei ihren Kindern suchen und nicht uns für die Missetaten ihrer Youngsters verantwortlich machen, wie es leider häufig genug vorkommt. Wir hegen die leise Hoffnung, dass unsere beiden Kandidaten ihre Lektionen aus der heutigen Nacht lernen werden, sind aber eigentlich darauf eingestellt, dass wir den beiden ab heute häufiger begegnen werden.
    »Häusliche Gewalt!«, ertönt in dem Moment die Stimme des Funkers und schickt uns und einen weiteren Streifenwagen zu einer deutsch-russischen Familie, in der es eigentlich grundsätzlich am Wochenende rappelt und die wir alle bereits kennen. An der angegebenen Adresse, einem Hochhaus in Finkenberg, wohnen die »Klitschkos«, wie wir sie nennen. Zwei Brüder, beide zwei Meter groß, jeder weit über hundert Kilo schwer und durchtrainiert bis in den letzten Muskel. Dummerweise trinken beide gerne mal einen über den Durst, und dann gehen sie sich gegenseitig ans Leder. Bisher war es zum Glück immer so, dass sie sich bei unserem Eintreffen wieder beruhigt hatten. Mir fällt nämlich auf die Schnelle heute Nacht kein Kollege ein, der es kräftemäßig mit den Brüdern aufnehmen könnte. Und selbst zu viert hätten wir meiner Ansicht nach keine große Chance gegen die beiden, ohne fiese Tricks anzuwenden.
    Bereits vor dem Haus sind laute Stimmen zu vernehmen. Sie kommen aus den Fenstern im 8 . Stock. Wir stürmen die Treppen hoch und kommen ziemlich außer Atem an.
    Die Wohnungstür ist bereits offen, der Vater empfängt uns. »Jungs sind wieder GAGA !« Er tippt
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