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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Autoren: Janine Binder
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Wildsau, den Rüssel auf dem Armaturenbrett, den Hintern auf dem Polster des Beifahrersitzes.
    »Ach du Scheiße!«, entfährt es auch mir wenig damenhaft, und ich muss gleichzeitig ein Kichern unterdrücken.
    »Das kann man wohl laut sagen.« Die Kollegin wählt bereits die Nummer der Wache, um einen Jagdausübungsberechtigten für dieses Gebiet zu verständigen, der sich um die Beseitigung des Kadavers kümmern wird. Totes oder gar verletztes Wild nach einem solchen Unfall einfach liegen zu lassen oder gar einzupacken ist verboten und kann sogar den Straftatbestand der Wilderei erfüllen.
    Nach einem kurzen Blick auf die Dame in unserem Streifenwagen beginne ich mit meiner Arbeit.
    Eigentlich sind für so einen Unfall keine Fotos vorgesehen, aber es glaubt uns ja doch niemand, wenn wir das nicht dokumentieren. Ich knipse also die tote Sau auf dem Beifahrersitz, dann kehre ich die Scherben und das Metall in den Straßengraben.
    Kurz darauf trifft der Mann der Smart-Fahrerin ein, und sie bricht erneut in Tränen aus. Aber statt sie in den Arm zu nehmen und froh darüber zu sein, dass sie offensichtlich unverletzt ist, weist er sie nur rüde zurecht und meckert sie an, dass sie sich nicht so anstellen solle. Ich bin froh, dass sie sich zumindest an meiner Schulter kurz ausweinen konnte.
    Er macht die Beifahrertür des Autos auf, schnauzt mich an, dass die Sau den Sitz versaut und warum wir die noch nicht weggeräumt hätten. Dann geht er um den Wagen herum, öffnet die Fahrertür und befördert das tote Viech mit einem Fußtritt nach draußen.
    Vorsichtig merke ich an, dass der Wagen nach dem Zusammenstoß ohnehin Schrott sei, was mir den Kommentar einbringt, dass ich als Frau von so was ja wohl überhaupt keine Ahnung hätte. Ich lächele freundlich und unverbindlich, denke mir: Arschloch, und freue mir fast ein Loch in den Bauch, als der Fahrer des Abschleppwagens den Smart auflädt und konstatiert: »Na, da ist wohl nix mehr zu machen, den können Sie nur noch verschrotten!«
    Mir entweicht ein ganz unprofessionelles, aber triumphierendes »Sag ich doch!«, dann drücke ich dem freundlichen Menschen die Unfallmitteilung in die Hand. »Schöne Nacht noch!«, wünsche ich den beiden. Die Sau zerren wir von der Straße auf den Seitenstreifen, wo der Jäger sie am nächsten Tag einsammeln wird, und schon sitzen wir wieder im Auto.
    »Hunger!«, stöhnt die Kollegin auf dem Beifahrersitz, und ich fahre uns zu McDonald’s, wo wir uns mit Proviant eindecken. In einer Sackgasse des Gewerbegebiets halten wir an und beginnen zu futtern, immer noch fassungslos und total fasziniert wegen der Sau im Smart.
    »Himmel, stell dir vor, die hätte noch gelebt, als sie auf dem Sitz gelandet ist. Die Frau wäre Matsch gewesen!«
    Ich nicke und beiße herzhaft in meinen Burger, nehme einen Schluck Cola und deute auf einen klapprigen Kleintransporter mit rumänischen Kennzeichen, der erst auf uns zufährt und dann, als er unseren Streifenwagen sieht, anhält und schnell wendet.
    »Was war denn das?«, frage ich mit vollem Mund.
    »Och Mensch, immer wenn ich grad esse!«
    Rasch stopfen wir alles in unsere Tüten, die Kollegin hält unsere Colabecher in der Hand, während ich Gas gebe und hinter dem Transporter herfahre. »Vielleicht wieder Kabeldiebe, der Altmetallpreis ist zurzeit ziemlich hoch! Wenn ich mich richtig erinnere, wurde da letztens so ein Transporter im Zusammenhang mit Kabelklau erwähnt. Erinnerst du dich, als sie die Kupferkabel der Verkehrsbetriebe geklaut haben und stundenlang keine S -Bahn fuhr?«
    Die Kollegin nickt und nimmt einen Schluck aus ihrem Colabecher, während ich auf die Taste für das »Stop«-Zeichen drücke.
    Der Transporter hält sofort an, und es steigen fünf offenbar osteuropäische Männer in dunkler Arbeitskleidung und mit Lederhandschuhen aus. Sie sind freundlich – zu freundlich, finde ich – und nervös – zu nervös. Wir fordern sie auf, sich in einer Reihe am Straßenrand aufzustellen. Während ich versuche, sie durch grimmige Blicke in Schach zu halten, und mir wohl bewusst bin, dass wir ein grandioses Chaos hätten, wenn jetzt auch nur einer losrennen würde, wirft meine Kollegin einen Blick in das Auto.
    »Nix! Alles leer! Wollten wohl grad erst anfangen!«, ruft sie mir zu.
    »Was anfangen? Wir nur wollten nach Hause. Haben verfahren, falsche Ausfahrt genommen!« Der Fahrer lächelt mich gewinnend an.
    Ich ignoriere ihn einfach. »Die Ausweise bitte!«
    Alle wühlen in ihren Taschen,
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