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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Autoren: Janine Binder
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euch stark, was? Kleine Jungs prügeln!«, brüllt Maurice in unsere Richtung. Wir ignorieren ihn und teilen die weitere Arbeit auf: Personalien feststellen, Gebäude sichern, Zeugen anhören und so weiter.
    Der aufmerksame Nachbar hilft beim Verschließen der Terrassentür, er besitzt auch einen Schlüssel für die Haustüre. Dann schaffen wir die drei zu den Streifenwagen. Sie wehren sich kräftig. Als Mehmet, den ich mit meinem Fuß am Boden gehalten habe, an mir vorbeigeführt wird, spuckt er mir vor die Füße und faucht mich an: » FOTZE ! DRECKIGE FOTZE ! Wir sehen uns wieder!«
    Ich nicke und murmele leise: »Mann, dass denen echt nichts anderes einfällt als immer Fotze. Ich beschimpf doch auch niemanden als Schwanz!«
    Scheinbar hat er mich gehört und brüllt, während er von einem Kollegen auf den Rücksitz geschoben wird: » SCHWANZLUTSCHENDE FOTZE ! NUR WEIL ICH KEIN DEUTSCHER BIN !«
    Einer der Kollegen antwortet lachend: »Nee, Mehmet, nur weil du eingebrochen hast! Das hat mit deiner Abstammung nicht wirklich was zu tun, und deine zwei Kumpels sind ja nun Deutsche, die sitzen aber genauso in der Patsche wie du, oder?«
    » HALT DIE FRESSE , ARSCHLOCH !«, tönt es vom Rücksitz des Streifenwagens, und genervt schieben wir den Blondschopf Andy auf unseren Rücksitz. Während ich fahre, sitzt meine Kollegin hinten neben ihm.
    Kaum ist er von seinen Kumpels getrennt, beginnt Andy zu wimmern. »Die Handschellen sind zu fest. Mir fallen die Arme ab. ICH STERBE !«
    Über den Rückspiegel tausche ich einen Blick mit meiner Kollegin, die schüttelt den Kopf. »Die sind nicht zu fest, die sind genau richtig. Jetzt stell dich mal nicht an wie eine Heulsuse, wir sind ja gleich da.«
    » MEINE AAAAAARME !«, jault Andy. Wir ignorieren ihn. Die Handfesseln sind natürlich nicht zu fest, aber klar ist es unbequem, mit einer Metallspange um die Handgelenke und den Armen auf dem Rücken im Auto zu sitzen. Im Vergleich dazu, wie unbequem es ist, aus dem Urlaub zu kommen und das ganze Haus durchwühlt vorzufinden, wie die Familie, die hier zum Opfer unserer Jungeinbrecher geworden ist, empfinde ich so ein bisschen Zwicken in den Armen für ihn als erträgliche Strafe.
    Andy jammert weiter vor sich hin und hört erst auf, als ihm die Kollegen im Gewahrsam die Handfesseln abnehmen. An seinen Handgelenken ist nichts zu sehen, nicht mal eine Rötung oder eine Druckstelle.
    Auf dem Gang begegnen wir, obwohl wir eigentlich versuchen, so etwas zu verhindern, Mehmet. » DU HÄLTST DIE FRESSE ! Wenn du ein Wort sagst, hast du Probleme!«, brüllt der über den Gang zu unserem Kerlchen rüber und outet sich damit als Kopf der drei Möchtegern-Ganoven.
    Als alle drei sicher in ihren Zellen sitzen, teilen wir die Schreibarbeit unter uns auf. Einer schreibt die Festnahmeanzeigen, einer die Strafanzeige zum Einbruch, wir restlichen Beamten verabschieden uns gut gelaunt wieder zur Wache.
    Noch eine halbe Stunde. Ich sitze wieder im Aufenthaltsraum und starre Löcher in die Luft, warte, dass entweder noch was passiert oder dass die Kollegen der Frühschicht zur Ablöse kommen. Ich bin froh, als ich endlich den Streifenwagenschlüssel übergeben und nach Hause kann.
    Die Kollegen treffen sich noch im Keller der Wache auf ein Bier, aber ich stiefele direkt zum Auto. Nach dem Nachtdienst zieht es mich immer unaufhaltsam ins Bett. Obwohl ich die Nachtschichten liebe, bin ich danach immer hundemüde. So auch heute. Ich schlafe, noch bevor mein Kopf das Kissen berührt.

Feierabend
2011
     
    Das war’s. Sie sind mit mir Streife gefahren, haben Einsätze mit mir erlebt, haben mit mir und meinen Kollegen gelacht und gelitten, haben vielleicht sogar den einen oder anderen Geruch in der Nase gehabt, das Martinshorn gehört oder das Blaulicht gesehen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht nur gut unterhalten, sondern Ihnen auch einen Einblick in unseren Job ermöglicht.
    Vielleicht haben Sie jetzt ein bisschen mehr Verständnis für die Polizistin, die schlecht gelaunt Ihre Anzeige aufnimmt, weil sie gedanklich noch bei der Kinderleiche ist, die sie eben gefunden hat. Vielleicht können Sie jetzt nachvollziehen, dass es für uns Polizisten manchmal Dinge gibt, die im Moment dringender sind als die gestörte Nachtruhe durch feiernde Nachbarn.
    Und vielleicht haben Sie durch meine Geschichten erkannt, dass wir Uniformierten auch nur Menschen sind. Wir sind nicht perfekt, wir sind nicht unfehlbar, aber wir sind immer bemüht, zu helfen, für die Bürger
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