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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Autoren: Janine Binder
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Ein älterer Mann, offenbar Rentner, hat mit seinem Fahrrad auf dem Radweg neben uns angehalten und gestikuliert wild mit den Händen. »Dafür hab ich also all die Jahre meine Steuern gezahlt, damit SIE hier herumstehen, den Verkehr blockieren und Pause machen!«
    Eigentlich habe ich es mir abgewöhnt, auf solche dummen Bemerkungen überhaupt zu reagieren. Aber der Herr steht abwartend neben meinem Fenster und sieht mich herausfordernd an. Also lasse ich die Scheibe ein Stück weiter herunter, während mein Kollege leise murmelt: »Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten!«
    Freundlich lächelnd, frage ich den aufgebrachten Mann: »Was genau hätten Sie auch mal gerne?« Dabei schaue ich auf die Uhr. Eigentlich hätten wir seit einer halben Stunde Dienstschluss, und ein paar Anzeigen muss ich auch noch schreiben.
    Da er nicht antwortet, sondern mich weiterhin böse ansieht, antworte ich an seiner Stelle: »Ich nehme an, Sie hätten auch mal gerne einen Zehn-Stunden-Dienst, bei dem Sie nicht mal Zeit finden, Ihr mitgebrachtes Essen auf der Wache zu essen, und das dann im Streifenwagen machen müssen, zwischen zwei Einsätzen, während Sie sich Ihre Kleidung vollkrümeln und natürlich vergessen haben, etwas zu trinken einzupacken? Oder würden Sie auch gerne mal auf einer unbeleuchteten, kurvigen Landstraße stehen, einen offenen Gully bewachen und bei jedem Auto, das von hinten angerast kommt, hoffen, dass der Fahrer nicht grad an seinem Handy herumspielt und Sie rechtzeitig sieht?«
    Ich blicke ihn abwartend an, erhalte aber nur ein gepresstes »Unverschämtheit!« zur Antwort, während er sich auf sein Rädchen schwingt und weiterfährt.
    Als ich mich wieder zurücklehne und den letzten Rest von meinem Brot esse, grinst mein Kollege mich an. »Ich wette, das gibt ’ne Beschwerde! Hundertprozentig gibt das ’ne Beschwerde! Warum reagierst du auf so was überhaupt?«
    Bockig antworte ich: »Weil man sich ja nun nicht alles gefallen lassen muss!«
    In dem Moment erscheinen die Herren von der Stadt mit einem neuen Gullydeckel, setzen ihn ein, und wir können endlich zur Wache fahren. Dort übergeben wir unsere Autoschlüssel den Kollegen vom Nachtdienst, die schon auf uns warten und sofort zu den nächsten und teilweise noch vom Spätdienst übrig gebliebenen Einsätzen aufbrechen.
    Für uns ist aber leider immer noch nicht Feierabend angesagt. Die Anzeigen wegen der aufgebrochenen Autos müssen geschrieben werden, das hat leider nicht bis zum nächsten Tag Zeit, und tatsächlich verlassen mein Kollege und ich erst nach fast zehn Stunden Dienst die Wache, trinken kein Feierabendbierchen mehr mit den anderen Kollegen, sondern schleppen uns zu unseren Autos und fahren hundemüde nach Hause.
    Samstag – Nachtdienst
    Bleibt nur noch der Nachtdienst, die Schicht, die jeden aus dem normalen Rhythmus bringt, mir aber immer noch am besten gefällt, obwohl man von spätabends bis frühmorgens arbeitet, dann den Tag verschläft und erst am Nachmittag wieder aufwacht.
    Unter der Woche geht es meist recht ruhig zu. Ab zwei, drei Uhr treibt sich kaum noch jemand auf den Porzer Straßen herum, und die Anzahl der Einsätze hält sich in Grenzen. Will man nicht untätig abwarten, bis der nächste Einsatz kommt, macht man sich selbst auf und sucht sich die Arbeit. So hat man in den ruhigeren Nachtdiensten Zeit, abgelegene Parkplätze, Industriegebiete oder auch Wohngebiete präventiv zu bestreifen, zu schauen, ob man einen Betrunkenen am Steuer eines Autos erwischt, oder um einfach mal an den Treffpunkten der Jugendlichen ein paar Kontrollen im Hinblick auf Drogen durchzuführen.
    Hin und wieder ist es im Nachtdienst tatsächlich so tot, dass man nur versucht, irgendwie die Zeit herumzukriegen, und den Feierabend herbeisehnt. Und trotzdem heißt es, immer wach und einsatzbereit zu sein, denn in der nächsten Minute kann es schon wieder losgehen, und man kann voll gefordert sein.
    Ich mag Nachtdienste, die hektischen genauso wie die ruhigen und beschaulichen. Denn bei den Einsätzen im Nachtdienst geht es überwiegend um das, weshalb ich zur Polizei gegangen bin: um die Bekämpfung von Kriminalität. Die Menschen, die uns nachts um Hilfe bitten, sind ganz andere als die, mit denen wir es tagsüber zu tun haben.
    Und natürlich erfüllt es mich auch mit einer gewissen Befriedigung, wenn ich selbst jemanden bei einer Missetat erwische und nicht erst gerufen werde, wenn der Täter schon über alle Berge ist und ich
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