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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten
Autoren: Dorothy L. Sayers
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– bloß einmal war ich auf einem Gruppenbild bei Crichton. Aber ich sage Ihnen auf Ehre und Gewissen, es gibt Zeiten, da weiß ich nicht, was ich tue.«
    Wimsey prüfte das Porträt Zug um Zug.
    »Ihre Nase – sie hat eine leichte Krümmung – entschuldigen Sie, wenn ich das erwähne – nach rechts, und genauso ist es auf dem Foto. Das linke Augenlid hängt ein wenig. Auch das stimmt. Die Stirn hier scheint auf der linken Seite einen ausgesprochenen Buckel zu haben – oder liegt das am Abzug?«
    »Nein!« Duckworthy warf seine zerzauste Schmachtlocke zurück. »Er ist sehr auffällig – häßlich, habe ich immer gedacht, deshalb kämme ich das Haar darüber.«
    Jetzt, mit der zurückgestrichenen roten Locke, war die Ähnlichkeit mit dem Foto bestürzender als zuvor.
    »Auch mein Mund ist schief.«
    »Stimmt. Links nach oben gebogen. Sehr anziehend finde ich, so ein einseitiges Lächeln – auf einem Gesicht von Ihrem Typ. Ich habe auch schon erlebt, daß es ausgesprochen böse wirkte.«
    Duckworthy lächelte ein zaghaftes, schiefes Lächeln.
    »Kennen Sie dieses Mädchen, Jessie Haynes?«
    »Nicht wenn ich bei Sinnen bin, Sir. Nie von ihr gehört – außer, natürlich, daß ich über den Mord in der Zeitung las. Erwürgt – mein Gott!« Er legte beide Hände vor sich auf die Decke und starrte sie unglücklich an.
    »Was kann ich tun? Wenn ich fortginge...«
    »Das können Sie nicht. Unten in der Bar hat man Sie erkannt. Wahrscheinlich wird in wenigen Minuten die Polizei hier sein. Nein« – Duckworthy machte Anstalten, aus dem Bett zu springen –, »tun Sie das nicht. Es ist zwecklos und würde Sie nur in Schwierigkeiten bringen. Bleiben Sie ruhig und beantworten Sie mir ein paar Fragen. Vor allem: Wissen Sie, wer ich bin? Nein, wie sollten Sie auch! Mein Name ist Wimsey, Lord Peter Wimsey.«
    »Der Detektiv?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen. Aber nun hören Sie. Wo haben Sie in Brixton gewohnt?«
    Der kleine Mann gab die Adresse an.
    »Ihre Mutter ist tot. Haben Sie sonst noch Verwandte?«
    »Es gab eine Tante. Sie stammte, glaube ich, irgendwo aus Surrey. Tante Susan nannte ich sie. Ich habe sie seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.«
    »Verheiratet?«
    »Ja – Mrs. Susan Brown.«
    »Gut. Waren Sie als Kind Linkshänder?«
    »Ja, zuerst. Aber meine Mutter gewöhnte es mir ab.«
    »Und die Neigung zeigte sich wieder nach dem Luftangriff. Weiter: waren Sie als Kind irgendwann einmal krank? So, daß Sie einen Arzt brauchten, meine ich?«
    »Ich hatte die Masern, als ich ungefähr vier war.«
    »Erinnern Sie sich, wie der Arzt hieß?«
    »Man brachte mich ins Spital.«
    »Ach ja, natürlich. Besinnen Sie sich auf den Namen des Friseurs in der Holborn Street?«
    Diese Frage kam so unerwartet, daß sie Duckworthys Erinnerungsvermögen durcheinanderbrachte, aber nach einigem Nachdenken sagte er, der Name habe wohl Biggs oder Briggs gelautet.
    Wimsey saß einen Augenblick in Gedanken versunken, dann sagte er:
    »Ich glaube, das ist alles. Außer – o ja! Wie ist Ihr Vorname?«
    »Robert.«
    »Und Sie versichern mir, daß Sie, soweit Sie wissen, nichts mit dieser Sache zu tun haben?«
    »Das«, sagte der kleine Mann, »das schwöre ich. Soweit ich weiß, natürlich. O mein Gott! Wenn ich nur ein Alibi beibringen konnte! Das ist meine einzige Chance. Aber ich habe solche Angst, sehen Sie, daß ich es vielleicht doch getan habe. Glauben Sie – man würde mich dafür hängen?«
    »Nicht, wenn Sie beweisen können, daß Sie nichts davon wußten«, antwortete Wimsey. Daß sein neuer Bekannter selbst unter diesen Umständen wahrscheinlich den Rest seines Lebens im Zuchthaus verbringen würde, verschwieg er.
    »Wissen Sie«, sagte Duckworthy, »wenn ich nun mein Leben lang herumgehen und die Leute umbringen müßte, ohne davon zu wissen, dann wäre es immer noch besser, sie würden mich hängen, und damit Schluß. Es ist schrecklich, wenn man darüber nachdenkt.«
    »Ja. Aber vielleicht haben Sie's auch nicht getan.«
    »Das hoffe ich wirklich«, sagte Duckworthy. »Aber – was ist das ?«
    »Die Polizei, denke ich«, erwiderte Wimsey leichthin. Als es an die Tür klopfte, stand er auf und sagte kräftig: »Herein!«
    Der Wirt, der als erster eintrat, schien etwas verblüfft über Wimseys Anwesenheit.
    »Kommen Sie nur herein«, sagte Wimsey einladend zu dem Sergeanten und dem Polizisten. »Was können wir für Sie tun?«
    »Machen Sie keinen Lärm«, sagte der Wirt, »wenn es irgend geht.«
    Der Sergeant
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