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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten
Autoren: Dorothy L. Sayers
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marschierte geradewegs auf das Bett zu und stellte sich vor den verschüchterten Duckworthy.
    »Das ist der Mann«, sagte er. »Nun, Mr. Duckworthy, Sie werden diesen späten Besuch entschuldigen, aber wie Sie wohl aus den Zeitungen wissen, suchen wir jemand, der Ihrer Personenbeschreibung entspricht, und haben keine Zeit zu verlieren. Wir möchten –«
    »Ich hab's nicht getan«, schrie Duckworthy wild. »Ich weiß auch nichts darüber.«
    Der Polizist zog ein Notizbuch heraus und schrieb: »Bevor ihm eine Frage gestellt wurde, sagte er: ›Ich habe es nicht getan.‹«
    »Anscheinend wissen Sie gut Bescheid«, sagte der Sergeant.
    »Natürlich«, sagte Wimsey, »wir hatten eben einen zwanglosen kleinen Schwatz über die Sache.«
    »So, hatten Sie? Und wer sind denn Sie, Sir?«
    »Es tut mir leid«, antwortete Wimsey, »ich habe gerade keine Visitenkarte bei mir. Mein Name ist Lord Peter Wimsey.«
    »Ach, wirklich«, sagte der Sergeant. »Und darf ich fragen, Mylord, was Sie über diese Geschichte wissen?«
    »Sie dürfen. Und ich werde auch antworten. Über den Mord weiß ich nichts, über Mr. Duckworthy, was er mir erzählt hat, mehr nicht. Ich glaube sicher, daß er auch Ihnen gegenüber sprechen wird, wenn Sie ihn in höflichem Ton fragen.«
    Verärgert knurrte der Sergeant: »Es ist meine Pflicht, ihn zu fragen, was er über die Sache weiß.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, erwiderte Wimsey, »und als guter Bürger hat er die Pflicht, Ihnen zu antworten. Aber es ist finstere Nacht, eine scheußliche Zeit, finden Sie nicht? Warum nicht bis morgen warten? Mr. Duckworthy wird nicht weglaufen.«
    »Davon bin ich nicht so überzeugt.«
    »Aber ich. Ich verpflichte mich, ihn vorzuführen, wann immer Sie ihn sprechen wollen. Genügt das nicht? Er steht doch nicht unter Anklage, nehme ich an?«
    »Noch nicht«, erklärte der Sergeant.
    »Großartig. Dann hätten wir ja alles ganz freundschaftlich geregelt. Wie wär's mit einem Gläschen?«
    Der Sergeant lehnte die liebenswürdige Einladung mit einer gewissen Schroffheit ab.
    »Nicht auf der Höhe?« erkundigte sich Wimsey teilnehmend. »Pech. Nieren? Oder Leber?«
    Der Sergeant gab keine Antwort.
    »Nun, es war uns ein besonderes Vergnügen, Sie zu begrüßen«, fuhr Wimsey fort. »Sie werden uns morgen früh wieder aufsuchen, nicht wahr? Ich muß ziemlich zeitig in die Stadt zurück, aber ich werde auf dem Weg bis dahin bei der Polizei vorsprechen, Mr. Duckworthy können Sie hier in der Halle finden. Das ist auch für Sie bequemer als in Ihrem Büro. Müssen Sie gehen? Dann gute Nacht allerseits.«
    Nachdem er die Polizei aus dem Haus geleitet hatte, kam Wimsey noch einmal zu Duckworthy zurück.
    »Hören Sie«, sagte er, »ich werde in der Stadt tun, was ich kann. Ich schicke Ihnen gleich am Morgen einen Anwalt. Erzählen Sie ihm, was Sie mir erzählt haben, und erzählen Sie der Polizei, was er Ihnen rat, nicht mehr. Denken Sie daran, man kann Sie nicht zwingen, etwas zu sagen oder zur Polizeiwache zu gehen, solange Sie nicht unter Anklage stehen. Und wenn das passiert, gehen Sie ruhig mit und reden Sie nichts. Auf keinen Fall dürfen Sie weglaufen – wenn Sie das tun, sind Sie erledigt.«
    Wimsey kam am folgenden Nachmittag in die Stadt und machte sich in der Holborn Street auf die Suche nach dem Friseurgeschäft. Er fand es ohne große Schwierigkeiten. Der Laden lag, wie Duckworthy es geschildert hatte, am Ende einer schmalen Passage, und in der Ladentür war eine Spiegelscheibe mit dem Namen Briggs in querlaufenden, verschnörkelten Goldbuchstaben. Wimsey blickte voll Unbehagen sein Spiegelbild an.
    »Niederlage Nummer eins«, sagte er, wahrend er mechanisch seinen Schlips zurechtrückte. »Bin ich an der Nase herumgeführt worden? Oder ist es doch ein Fall von vierter Dimension? Aber es kann keinen Zweifel geben, die Tür hier ist eine Spiegelscheibe. Ich frage mich: War das immer so? Auf, Wimsey auf! Noch einmal Rasieren ertrage ich nicht. Vielleicht geht es mit einem Haarschnitt.«
    Er öffnete die Ladentür und behielt dabei sein Spiegelbild fest im Auge, damit es ihm keinen Streich spiele.
    Aus seiner Unterhaltung mit dem Friseur, die sehr lebhaft verlief, verdiente nur eine Stelle festgehalten zu werden.
    »Es ist einige Zeit her, seit ich hier war«, sagte Wimsey. »Hinter den Ohren bitte kurz. Sie haben renoviert, nicht wahr?«
    »Ja, Sir. Sieht ganz flott aus, nicht?«
    »Der Spiegel außen an der Ladentür, der ist auch neu, oder?«
    »O nein, Sir.
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