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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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nachgab. Da.
    »In ein paar Minuten kommen wir an die Querstraße«, sagte er, und seine Stimme übertönte das leise Klicken, das ohnehin schon durch die Rückenlehne und seinen Körper gedämpft wurde: Die rechte Handschelle war offen.
    Das reichte. Die linke konnte er später aufmachen, und bis dahin konnte sie ihm nützlich sein.
    Sie kamen an die Querstraße und bogen rechts ab. Parker ließ die Schultern kreisen, ballte die Hände zur Faust und öffnete sie wieder. Seine Arme prickelten, weil der Blutfluss behindert war.
    »Da vorn biegen wir links ab«, sagte er. »Da ist eine Kreuzung mit einer Getty-Tankstelle und einem rund um die Uhr geöffneten Laden.«
    »Wer’s glaubt, wird selig«, sagte der Typ.
    »Doch, doch. Mit der Kirche hab ich mich um eine Kreuzung vertan, aber das stimmt. Sehen Sie das Schild? Da ist sie.«
    Das rot-weiße Getty-Tankstellenschild war das einzige vor ihnen, was nicht grün war. Es war eine kleine Tankstelle, zwei Zapfsäulen und dahinter ein kleiner Laden, der an einem Nachmittag aus Kunststoffertigteilen zusammengebaut worden war. In der Nähe gab es Anlegestellen von Fischern und ein paar kleine Fabriken, die diskret in den Hügeln versteckt waren, um keinen Anstoß bei den Wochenendausflüglern zu erregen; die Tankstelle hatte also genug Kunden, war aber nicht gerade überlaufen.
    Im Moment war kein Kunde da. Der Typ bremste an der Kreuzung, und Parker verhielt sich ruhig. Wenn er ihn drängte, würde er sich sträuben. Und wenn es hier nicht klappte, war da auch noch das Ferienhäuschen, das ihnen ein Makler gezeigt hatte, das ihnen aber nicht gefallen hatte, weil man nicht leicht zum Fluss hinunterkam – man sollte die Aussicht auf den Fluss genießen, sich aber nicht hineinbegeben. Doch jetzt wäre es eine geeignete Stelle. Wäre dumm, wenn das Haus gerade vermietet wäre, aber Parker würde es nehmen, wie es kam.
    »Vielleicht halte ich da.«
    Parker nickte, sagte aber nichts. Der Typ bog zu den Zapfsäulen ab. »Außerdem muss ich pinkeln«, sagte er. Damit hatte Parker gerechnet. Fast immer wollen die Leute pinkeln gehen, bevor sie etwas in Angriff nehmen, was gefährlich oder anstrengend oder ihnen wichtig ist. Der Typ hatte keineLust, sich fünf bewaffneten Männern zu stellen, die er berauben wollte, und dabei an seine Blase zu denken.
    »Ich auch«, sagte Parker.
    »Sie können warten. Ist ein Anreiz, schneller hinzukommen.« Er zog sein Hemd aus der Hose, damit es die Waffe in seinem Gürtel bedeckte, stieg aus und schloss die Tür.
    Parker schaute geradeaus, während der Typ tankte, und dann schaute er, ob er zuerst zahlen oder zuerst auf die Toilette gehen würde; er ging Richtung Toilette.
    Als er außer Sicht war, löste Parker den Sicherheitsgurt und stieg aus. Die Handschellen baumelten an seinem linken Handgelenk. Er schob die Finger durch die rechte Schelle, so dass er sie wie einen Schlagring benutzen konnte, und ging mit raschen Schritten über den Asphalt auf die Seite hinüber, wo nebeneinander zwei Türen mit der Aufschrift MEN und WOMEN waren, jede mit einer breiten Betonstufe davor.
    Hier gab es nur Sträucher und dahinter Wald, sonst nichts. Kein Mensch war zu sehen. Parker postierte sich links von der Tür mit der Aufschrift MEN, mit dem Gesicht zum Gebäude, den linken Arm angewinkelt vor der Brust. In der rechten Faust hielt er den Kugelschreiber wie einen Dolch. Er wartete, dann drehte sich quietschend der Türknauf, und die Tür ging nach außen auf; als der Typ auftauchte, im Profil, schrammte Parker mit der in der Handschelle steckenden linken Faust quer über die Brust bis hinauf zu seinem verbundenen Ohr.
    Der Typ schrie auf. Er riss beide Arme hoch, und Parker stach mit dem Kugelschreiber nach seinem rechten Auge, doch der Kugelschreiber wurde von einem der fuchtelnden Arme des Typs abgelenkt, drang statt dessen hoch oben in seine Wange ein und riss die Haut bis zu den Zähnen und zum Zahnfleisch auf.
    Der Typ schrie etwas, aber Parker war zu beschäftigt, umihm zuzuhören. Seine linke Faust mit der Handschelle schlug nach der Wange und dem darin steckenden Kugelschreiber, während er ihm mit der rechten Hand unters Hemd griff und den 38er herausriss.
    Der Typ taumelte mit weitaufgerissenen Augen rückwärts, seine Wange blutete stark, und Blut lief auch aus dem Verband und quoll aus seinem Mund. Er krachte gegen das Waschbecken hinter ihm, tastete aber nach seiner linken Gesäßtasche – dort musste er Parkers Python haben.
    Parker
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