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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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Häuser auf beiden Seiten gut sehen. Sie standen jeweils keine fünfzehn Meter voneinander entfernt, aber das machte nichts; sie waren nicht bewohnt. Es war überwiegend ein Ferienort für einfache Angestellte, die jeden Sommer drei Monate hier verbrachten und ihre »Cottages« die übrige Zeit leerstehen ließen. Nur fünfzehn Prozent der Häuser am See waren durchgehend bewohnt, und die meisten davon standen drüben am anderen Ufer, im Windschatten des Berges, vor dem Winterwind geschützt.
    Für Parker war das ideal. Hierher konnte er sich zurückziehen, wenn nichts lief, hier war sein sogenanntes Zuhause, und es gab keine Nachbarn. Im Sommer, wenn die Angestellten kamen, um zu schwimmen, zu angeln und Boot zu fahren, verzogen sich Parker und Claire woandershin.
    Spätnachmittag, warmes, orangefarbenes Licht in den Fenstern. Parker bog in die Einfahrt, am Steuer eines rotenSubaru, zwei Tage und drei Autos seit der Seville von dieser Gebirgsstraße abgekommen war und er Howell zurückgelassen hatte. Der Subaru war geklaut, ein sicheres Auto, in keinem Polizeicomputer, solange sich niemand die Papiere und die Seriennummern zu gründlich ansah. Parker lenkte ihn zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch, die hier den Rasen ersetzten, und vor ihm glitt das linke Rolltor der angebauten Doppelgarage hoch; Claire hatte ihn also kommen sehen. Er fuhr hinein und stieg aus, während das Tor wieder herunterging, und Claire stand im gelberleuchteten Rechteck der Tür zur Küche. »Willkommen daheim, Mr. Lynch«, sagte sie.
    Claire hatte ein paar Standardwitze, und das war einer davon; Parker fand sie alle nicht lustig. Er hatte sich Lynch genannt, als sie sich kennenlernten, deshalb begrüßte sie ihn gern mit diesem Namen, weil er zeigte, dass sie eine gemeinsame Geschichte hatten. Sie wollte glauben, dass sie eine Geschichte hatten, in beiden Richtungen.
    »Hallo«, sagte er und blieb mit seiner Sporttasche in der Tür stehen, um sie zu küssen, und mit dieser einen Bewegung öffnete er sich wieder all der Wärme, die er ausgesperrt hatte, seit er weggefahren war. Nach Hause zu kommen war immer gut, weil es eine Art Rückkehr ins Leben war.
    Nach dem Kuss lächelte sie ihm zu, nahm seine Hand und zeigte mit dem Kinn auf die Tasche: »Nicht die schmutzige Wäsche«, mutmaßte sie.
    »Hundertvierzigtausend«, sagte er. »Müssten es sein. Ich hab noch nicht nachgezählt.«
    »Schön, dass du den angenehmen Teil immer für mich aufhebst.«
    Was sie damit meinte: Sie wollte mit alldem nichts zu tun haben, mit dem, was passierte, wenn er weg war. Sie hattensich überhaupt nur kennengelernt, weil ihr Exschwager, ein Idiot namens Billy Lebatard, sie in einen Raubüberfall bei einem Numismatikerkongress verwickelt hatte, der grauenhaft schiefgegangen war. Am Schluss war Billy tot, überall war Blut, und Parker hatte Claire in letzter Sekunde in Sicherheit gebracht. Sie war früher einmal verheiratet gewesen mit einem Piloten, der bei einem Absturz ums Leben gekommen war; das hatte ihr, nach der Geschichte mit Billy, gereicht. Einmal hatten ein paar ausgeflippte Spaßvögel hier eingebrochen, aber Parker hatte sich um sie gekümmert, und jetzt waren er und Claire die meiste Zeit zusammen, wärmten sich jeder am Feuer des anderen und genossen die Ruhe. Wenn Parker wegging, was er manchmal tat, wollte sie nichts davon wissen. Es war schon ein Zugeständnis, dass sie, während er duschte, das Geld zählte und es säuberlich auf dem Couchtisch stapelte, so dass er es gleich sah, als er in einem schwarzen Bademantel und mit einem Glas in der Hand hereinkam. Sie saß mit gleichgültiger Miene auf dem Sofa und sagte: »Genau hundertvierzigtausend.«
    »Gut.«
    »So hat’s auch in der Zeitung gestanden.«
    Er setzte sich neben sie aufs Sofa und legte den Kopf schräg. »In der Zeitung?«
    »Du hast keine Zeitungen gelesen?«
    »Ich war unterwegs.«
    »Bevor du losgefahren bist«, sagte sie, »hat dich ein Mann namens Howell angerufen.«
    »Stimmt.«
    »Ein Mann namens Howell ist tot.«
    Das überraschte ihn. »Tot? Wie?«
    »Verletzungen von einem Autounfall. Auf der Flucht ist er mit seinem Wagen einen Hang im Gebirge runtergestürzt.Die anderen drei sind entkommen, in einem Kleinlaster mit Panzerabwehrraketen. Man rechnet mit Verhaftungen.«
    »Die haben ihn umgebracht«, sagte Parker.
    »Wer?«
    »Die Polizei. Bundespolizei oder die vor Ort. Ich seh mal in der Zeitung nach.«
    Sie stand auf und ging zu dem Refektoriumstisch am Kamin
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