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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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Bahnsteigs führte eine lange Eisentreppe zu einem hohen Übergang hinauf, über den man oberhalb der Schienen in das alte Bahnhofsgebäude gelangte. Das Gelände fiel zum Flussufer hin steil ab und stieg auf der anderen Seite des Bahndamms ebenso steil an.
    Ein Dutzend Fahrgäste stiegen zusammen mit Parker aus dem Zug, und zwei oder drei stiegen ein. Er betrat den Bahnsteig als letzter, der einzige Fahrgast ohne Gepäck, und blieb einfach stehen, während die anderen die Treppe hinaufstiegen und der Zug hinter ihm ruckelnd anfuhr. In seinem dunklen Anorak, den dunklen Chinos und den schweren schwarzen Schuhen sah er aus wie ein selbständiger Facharbeiter, den eine Firma für eine bestimmte Arbeit angeheuert hatte. Und das war er ja auch.
    Rechts von ihm auf der Treppe verschwanden die Leute allmählich in der Höhe. Auf dem Bahnsteig standen drei oder vier Bänke ohne Lehnen, und auf einer davon, ganz links, saß ein bulliger Mann in perlgrauem Mantel und Hut, mit dem Rücken zu dem Zug, der jetzt aus dem Bahnhof fuhr, und schaute zum Fluss hinab.
    Als der Zug weg war, wandte sich Parker um und schaute über die Gleise: ein Maschendrahtzaun, ein Parkplatz, ein steiler Hang, ein steile, kurvige Straße und ein paar alte Häuser. Ein Passagier, der die Treppe auf dieser Seite erklommen hatte, stieg jetzt eine zweite Treppe dort drüben hinab und steuerte auf den Parkplatz zu. Er war zerknittert, in den Vierzigern, hatte einen für die Jahreszeit zu warmen Anorak an und trug einen dicken, schweren Aktenkoffer. Es sah aus, als spreche er mit sich selbst.
    Parker beobachtete den Mann, der kein einziges Mal herüberschaute. Am Fuß der Treppe machte er einen Bogen, lief eilig zwischen den Autoreihen hindurch und kramte dabei schon nach seinem Schlüssel. Er drückte auf den elektronischen Öffner, und ein Saab piepste und ließ sein bernsteinfarbenes Licht aufleuchten. Der Mann warf den Aktenkoffer auf den Rücksitz, stieg ein und fuhr los. Auch im Auto bewegte er noch die Lippen. Er interessierte sich für nichts außerhalb seines eigenen Kopfes. Irgendwo in der Nähe musste also ein College sein.
    Der Saab fuhr die steile Straße hinauf und verschwand um die Kurve. Parker ging den Bahnsteig entlang auf Cathman zu, der aufschaute, lächelte und nickte. »Guten Tag«, sagte er.
    Die Bank war so lang, dass sie beide mit etwas Abstand zwischen ihnen darauf sitzen konnten. Parker nahm neben Cathman Platz und sagte: »Sie sind nicht in derselben Branche wie Howell.«
    Cathman lachte verlegen. »Um Himmels willen, nein. Überhaupt nicht. Deswegen brauchte ich ja Mr. Howell. Oder Sie. Oder wen immer.«
    »Sie laufen einfach rum und reden mit den Leuten? In Bars, hier und dort?«
    »Wo denken Sie hin«, sagte Cathman und bedachte Parker plötzlich mit einem prüfenden Blick. »Mr. Parker, ich kenne mich nicht besonders gut aus in Ihrer Welt oder Ihrem … Geschäftszweig. Deswegen bin ich aber kein Idiot.«
    »Soso.«
    »Ich werde nie mit einem verdeckten Ermittler reden, glauben Sie mir.«
    »Vielleicht tun Sie das ja gerade«, sagte Parker.
    Cathman grinste und schüttelte den Kopf. »Ich war mir bei Mr. Howell sicher, und ich bin mir bei Ihnen sicher. Mr. Parker, spielen Sie?«
    »Nicht mit Leuten, die ich nicht kenne.«
    Cathman machte plötzlich eine irritierte Handbewegung, wie um ein Missverständnis wegzuwischen. »Das meine ich nicht«, sagte er. »Ich meine Glücksspiel, legales Glücksspiel. Lotterien, Wettbüros. Las Vegas, Atlantic City, Foxwood.«
    Parker schaute ihn an. »Foxwood?«
    Diesmal war Cathmans Handbewegung flüchtig, wegwerfend. »Drüben in Connecticut«, sagte er. »In dem Indianerreservat, wo die Staatsgesetze nicht gelten. Das Casino dort macht Millionen.«
    Parker nickte. »Also haben die Indianer endlich eine Möglichkeit gefunden, den weißen Mann zu besiegen.«
    »Meine Frage war, ob Sie spielen.«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, warum nicht?«
    Was hatte das mit irgendwas zu tun? Doch im Lauf der Jahre hatte Parker gelernt, dass man jemanden, der einem seine Geschichte erzählen will, sie erzählen lassen muss, und zwar auf seine Weise. Wenn man versucht, ihn zu drängen, damit es schneller geht, verwirrt man ihn nur, und er wird noch langsamer.
    Die Frage war also, warum nicht spielen? Parker hatte nie darüber nachgedacht, er wusste nur, dass es witzlos und uninteressant war. »Mich Zufallsereignissen ausliefern? Warum? Mir kommt es darauf an, die Dinge nach Möglichkeit im Griff zu haben,
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