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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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weit östlich«, sagte Parker. »Wir haben den Fluss überquert, erinnern Sie sich? Jetztmüssen wir nach Süden fahren und dann nach Westen, zum Fluss zurück. Und hier ist die Abzweigung.«
    Der Typ runzelte die Stirn, schluckte es aber, und sie fuhren südwärts durch niedrige Hügel mit Bäumen, die ihr hellgrünes Frühlingslaub trugen. Hier und da kamen sie durch eine Kleinstadt mit einer einzigen Kreuzung und einer Ampel. Und meistens einer Tankstelle, aber keiner von der Art, die Parker vorschwebte.
    Höchste Zeit, von dieser Straße runterzukommen. »Sie fahren die nächste rechts«, sagte er. »An der Kreuzung steht eine dunkelbraune Kirche mit einem kleinen Friedhof.«
    Aber das stimmte nicht; eine andere Kreuzung tauchte auf, mit dem Verkaufsstand eines Farmers an der Ecke, dessen Regalbretter alle leer waren; um diese Jahreszeit war noch nichts so reif, dass man es verkaufen konnte.
    Der Typ hielt vor dem leeren Stand und sagte: »Was soll das?« Er hatte beim Fahren den 38er in seinem Gürtel stecken, direkt hinter der Schließe, und jetzt ruhte seine Hand auf dem Griff.
    »Es muss die nächste sein«, sagte Parker.
    »Wo müssen wir hin? Sagen Sie mir einfach, wo wir hinmüssen, und ich fahre hin.«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin in der Gegend hier nicht zu Hause, ich bin nur vor ein paar Wochen hergekommen wegen der Sache mit dem Schiff. Ich weiß hier keine Namen und keine Straßennummern und so, ich weiß nur, wie ich von hier nach da komme. Ich hatte die Kreuzung hier bloß vergessen. Es ist die nächste.«
    »Wenn nicht«, sagte der Typ, »müssen wir uns was anderes einfallen lassen.«
    »Einverstanden. Aber es ist die nächste.«
    Der Typ fuhr los, und nach knapp fünf Kilometern kamensie an die Kreuzung mit der braunen Kirche. »Sehen Sie?« sagte Parker. »Ich bin eben kein Einheimischer. Aber ich weiß, wie ich fahren muss. Biegen Sie hier rechts ab, dann stoßen wir auf eine Querstraße, und da müssen Sie wieder rechts fahren.«
    »Nach rechts? Da fahren wir ja wieder nach Norden.«
    »Nein«, sagte Parker. »Diese Straßen verlaufen kreuz und quer durch die Landschaft, wegen der Berge und weil erst die Farmen abgesteckt und dann die Straßen gebaut wurden. Keine Sorge, wir fahren nicht mehr nach Norden.«
    Das war gelogen. Nach dem zweiten Rechtsabbiegen würden sie wieder nach Norden fahren und auf eine andere Straße kommen, die sie wieder nach Westen bringen würde, falls sie so weit fuhren. Parker war dankbar für die Wolkendecke; bei Sonne wäre es viel schwieriger gewesen, den Typ in die richtige Richtung zu dirigieren.
    Bevor sie an die Querstraße kamen, warf Parker einen Blick auf die Tankuhr und sah das rote Warnlicht. »Wie lange brennt das schon?«
    Der Typ nahm den Blick nicht von der kurvenreichen Straße. »Was?«
    »Die Tankuhr, die Warnlampe leuchtet.«
    Der Typ schaute rasch hin. »Wir kommen schon klar«, sagte er. »Es ist doch nicht mehr weit?«
    »Hin und zurück? Ich weiß nicht. Wie lange brennt sie schon?«
    »Nicht lange«, sagte der Typ, aber aus Gereiztheit, nicht aus Überzeugung.
    »Sie haben das Sagen«, erklärte Parker, »aber wenn ich der Fahrer wäre, würde ich bei der nächsten Tankstelle rausfahren und für ein paar Dollar tanken.«
    »Das reicht schon noch.«
    Während der Fahrt hatte Parker gegen beginnende Krämpfe in den Schultern und Oberarmen von Zeit zu Zeit seine Schultern kreisen lassen. Beim erstenmal hatte der Typ die Stirn gerunzelt, doch dann hatte er begriffen, warum Parker das tat, und nicht mehr reagiert. Als sie jetzt auf die Querstraße zufuhren, ließ Parker sie wieder kreisen und rutschte dabei mit dem Hintern auf dem Sitz ein Stück nach vorn, wodurch zwar die Schmerzen und der Druck in den Armen zunahmen, andererseits aber seine Hände mehr Spielraum zwischen seinem Körper und der Rückenlehne bekamen. Die Finger seiner linken Hand zupften die Büroklammer von der rechten Handfläche. Beide Hände zusammen bogen ein Ende der Klammer gerade. Dann ertastete er mit den Fingern der linken Hand das Schloss zwischen den beiden Handschellen und bog es so hoch, dass es zwar ins Fleisch schnitt, er aber mit den Fingern der rechten Hand die Büroklammer mit dem geraden Ende einführen und sie trotzdem am noch gebogenen Ende festhalten konnte.
    Er machte das nicht zum erstenmal; es tat eine Weile weh, aber die Schmerzen waren auszuhalten. Er stocherte mit dem Ende der Büroklammer, spürte den Widerstand, spürte, wo sie
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