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Sein erster Fall

Sein erster Fall

Titel: Sein erster Fall
Autoren: A. A. Fair
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ist, um sich dessen Gerichtsbarkeit zu entziehen. Ich bin nicht aus Kalifornien geflohen.«
    »Wenn Sie nicht die Absicht haben, sich den kalifornischen Gerichten zu entziehen, dann weiß ich nicht, was Sie sonst hier wollen«, sagte Richter Oliphant.
    »Dazu brauche ich mich nicht zu äußern«, antwortete ich, »und zwar aus zwei Gründen. Einmal, weil Sie, Herr Richter, Ihre Entscheidung offenbar bereits im voraus getroffen haben, zum anderen, weil sich berufenere juristische Köpfe, als ich einer bin, mit diesem Problem herumgeschlagen haben. Tatsache ist und bleibt, daß niemand als flüchtig zu gelten hat, es sei denn, der Betreffende wäre effektiv geflohen. Geflohen ist er aber nur dann, wenn er aus eigenem freiem Willen und in der Absicht, sich einer Verhaftung zu entziehen, über die Grenze gegangen ist. Ich aber bin aus Kalifornien nicht geflohen, ich bin mit Gewalt aus Kalifornien hierhergeschleppt worden. Ich bin aufgrund eines Rechtsverfahrens abgeholt worden, bei dem es sich um ein Vergehen handelte, das ich in Wirklichkeit gar nicht begangen habe, für das ich aber zur Verantwortung gezogen wurde. Ich habe vorher meine Unschuld ausdrücklich beteuert, und ich habe meine Unschuld hinterher auch bewiesen. Sollte ich je Lust und Laune verspüren, nach Kalifornien zurückzukehren, so kann mich die kalifornische Polizei dann gern wegen Mordes verhaften. Solange ich diese Lust und Laune aber nicht verspüre, kann ich hier bleiben, und keine Macht der Erde kann mich hieran hindern.«
    Jetzt war der Richter auf einmal interessiert. »Als Sie eben sagten, Mr. Lam, berufenere Köpfe als Sie hätten sich mit der Frage befaßt, hatten Sie da etwa einen bestimmten Präzedenzfall im Auge?«
    »Jawohl, Herr Richter. Es handelt sich sogar um mehrere derartige Fälle. Zunächst der Fall Whittington, niedergelegt in den Entscheidungen des Obersten Bundesgerichtes, Band 34 Nr. 344. Dieser Fall war von entscheidender Bedeutung, und er paßt haarscharf auf meine Situation. Ferner der Fall Jones, Band 44 Nr. 423. Die Rechtslage in Kalifornien ist weiterhin deutlich präzisiert im Abschnitt 12 der kalifornischen Prozeßordnung, § 398. Dort steht: Liegt der Fall vor, daß die Anwesenheit des Angeklagten in dem Staat, in dem er sich befindet, nicht auf freiwilligen Entschluß zurückgeht, sondern auf gesetzlichen oder ungesetzlichen Zwang, so gilt der Betreffende nicht als flüchtig und kann daher nicht als Flüchtling ausgeliefert werden. Wenn also bewiesen ist, daß die Anwesenheit des Betreffenden in dem anderen Staat aufgrund eines Auslieferungsverfahrens herbeigeführt worden ist, das dieser andere Staat selber wegen eines früheren Verbrechens eingeleitet und von dem Staat bewilligt erhalten hat, der jetzt die Rückauslieferung des Verhafteten beantragt, so darf der Beschuldigte von dem ersteren Staat nicht ausgeliefert werden, erstens, weil er kein Flüchtling ist, zweitens, weil sich der andere Staat durch die Bewilligung des ersten Auslieferungsantrages aller Rechte begeben hat, ihn wegen anderer Vergehen gegen seine eigenen Gesetze zu verfolgen.«
    Richter Oliphant starrte mich verblüfft an. Der Staatsanwalt sprang auf: »Solch ein Gesetz kann es unmöglich geben, Herr Richter. Wenn es dieses Gesetz gäbe, dann könnte ja jeder Mensch nach Belieben einen vorsätzlichen Mord begehen. Er könnte einen Mitmenschen kaltblütig und nach wohldurchdachtem verbrecherischem Plan aus dem Wege räumen und, indem er sich diese Lücke im Gesetz zunutze macht, straffrei dabei ausgehen.«
    »Und genau das scheint der Antragsteller auch getan zu haben«, sagte der Richter nachdenklich. »Es gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, um zu erkennen, daß er mit geradezu diabolischem Scharfsinn Schritt für Schritt auf einen vorsätzlichen, wohldurchdachten Mord hingesteuert ist. Wenn das von ihm zitierte Gesetz tatsächlich existiert, dann hat dieser Mann ein vollendetes Verbrechen begangen, und zwar nicht etwa nach dem bekannten Rezept, alle Spuren auf das raffinierteste zu verwischen, sondern auf eine ganz andere, noch unendlich viel genialere Art hat er sich vor der Bestrafung geschützt. Es ist bezeichnend, daß der Antragsteller den betreffenden kalifornischen Gesetzestext, auf den es ankommt, regelrecht Wort für Wort auswendig gelernt hat. Hieraus geht nämlich hervor, daß er alle in dieser Rechtslage liegenden Möglichkeiten im voraus sorgfältg durchdacht und berechnet hat. Der Ablauf dieses Falles beweist von Anfang bis
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