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Sein erster Fall

Sein erster Fall

Titel: Sein erster Fall
Autoren: A. A. Fair
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verheiratet?«
    »Nein.«
    »Sie sind ein ziemlicher Knirps«, meinte sie dann. »Sie wiegen sicher nicht mehr als hundertzwanzig Pfund, wie?«
    »Hundertsiebenundzwanzig.«
    »Können Sie boxen?«
    »Nein. Ich probiere es manchmal, aber ich kriege immer Prügel.«
    »Was ich hier brauche, ist ein richtiger Mann.«
    »Ich bin ein Mann«, versetzte ich hitzig.
    »Sie sind nur zu klein, jeder kann sie ’rumschubsen.«
    »Auf dem Gymnasium haben die anderen Jungen das auch versucht, sie haben es aber bald wieder aufgegeben. Ich laß mich nicht ’rumschubsen. Man kann sich auf manche Weise durchsetzen. Ich habe meine eigene Methode, und ich verstehe mich gut darauf.«
    »Haben Sie die Annonce sorgfältig gelesen?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Meinen Sie selber, daß Sie in Frage kommen?«
    »Ich bin völlig unabhängig«, antwortete ich, »ich bin nicht feige, ich kann sehr energisch werden, und ich halte mich auch für ziemlich intelligent. Wäre ich das nicht, dann hätte man das Geld für meine Erziehung zum Fenster ’rausgeworfen.«
    »Wer?«
    »Mein Vater.«
    »Wann ist er gestorben?«
    »Vor zwei Jahren.«
    »Was haben Sie seitdem getrieben?«
    »Alles mögliche.«
    Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert, dann lächelte sie mich wohlwollend an und sagte: »Sie sind ein ganz verdammter Lügner.«
    Ich stieß meinen Stuhl zurück. »Da Sie eine Frau sind«, sagte ich, »können Sie so etwas zu mir sagen. Da ich ein Mann bin, habe ich’s aber nicht nötig, mir das anzuhören.« Damit ging ich zur Tür.
    »Augenblick mal!« rief sie. »Vielleicht kriegen Sie die Stelle.«
    »Kein Interesse, danke!«
    »Seien Sie nicht blöd! Drehen Sie sich um, und sehen Sie mir ins Auge. Jetzt seien Sie mal ehrlich: Haben Sie nicht wirklich gelogen?«
    Wenn schon, die Stelle war ja sowieso futsch. Ich machte kehrt und sah ihr ins Gesicht. »Jawohl«, sagte ich, »ich habe gelogen. Das ist eine Angewohnheit von mir. Komischerweise erwarte ich aber, daß man so taktvoll ist, mir meine kleinen Flunkereien zu glauben.«
    »Waren Sie mal im Kittchen?«
    »Nein.«
    »Kommen Sie her, und setzen Sie sich wieder.«
    So weit kommt’s mit einem, wenn man arbeitslos ist: Ich ging zurück und setzte mich. Genau zehn Cent hatte ich noch in der Tasche; seit gestern mittag hatte ich keinen Bissen gegessen. Die Stellenvermittler konnten oder wollten nichts für mich tun. Aus Verzweiflung hatte ich schließlich angefangen, auf Anzeigen zu schreiben, die ein bißchen anrüchig klangen. Tiefer geht’s dann nicht.
    »So, jetzt will ich die Wahrheit wissen«, sagte sie.
    »Ich bin neunundzwanzig; meine Eltern sind tot; ich habe das Gymnasium besucht und bin hinreichend intelligent. Ich bin zu jeder annehmbaren Arbeit bereit, denn ich brauche Geld. Wenn Sie mich nehmen, will ich mir große Mühe geben, mich dessen würdig zu erweisen.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles.«
    »Wie heißen Sie?«
    Ich lächelte.
    »Dann darf ich also annehmen, daß Lam Ihr richtiger Name ist?«
    »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt«, antwortete ich. »Wenn Sie wünschen, kann ich aber noch weitererzählen - darauf verstehe ich mich ganz gut.«
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte sie. »Jetzt möchte ich aber wissen: Was haben Sie tatsächlich studiert?«
    »Wieso interessiert Sie das?«
    »Eigentlich überhaupt nicht«, sagte sie, »aber aus der Art, wie Sie meine erste Frage nach Ihrer Schulbildung beantwortet haben, habe ich gemerkt, daß Sie logen. Sie haben überhaupt nie studiert, nicht wahr?«
    »Doch.«
    »Aber kein Examen gemacht?«
    »Doch.«
    »Sind Sie nicht geflogen?«
    »Nein.«
    »Verstehen Sie etwas von Anatomie?«
    »Nicht viel.«
    »Was haben Sie denn studiert?«
    »Soll ich wieder schwindeln?« fragte ich.
    »Nein«, sagte sie, »jetzt nicht - halt mal - doch! Für diese Sache hier muß man lügen können. Außerdem muß man überzeugend reden können. Ihre erste Lüge hat mir nicht gefallen, sie zog nicht.«
    »Ich sage Ihnen jetzt die Wahrheit«, erklärte ich.
    »Lassen Sie das jetzt! Lügen Sie mal ’ne Weile.«
    »Worüber?«
    »Ganz egal«, sagte sie. »Nur sorgen Sie dafür, daß es überzeugend klingt. Legen Sie sich was zurecht, schmücken Sie es aus. Was haben Sie studiert?«
    »Das Liebesieben der Mikroben«, antwortete ich. »Bisher haben die Naturforscher die Vermehrung der Mikroben nur nach den Gesetzen untersucht, die für die Meerschweinchen gelten; keiner hat daran gedacht, von den Mikroben selber auszugehen. Wenn ich nun vom
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