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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht
Autoren: Brigitte Aubert
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meines Körpers und Bo die Mieterin. Nach der Operation wird Bo endlich allein über die Örtlichkeiten herrschen. Ach, Scheiße!
    Als ich bei Johnny ankomme, bin ich trotz der beißenden Kälte schweißgebadet. Er wohnt in der Altstadt, da, wo ich früher auch gewohnt habe. Ein altes, einst gelbes Gebäude mit verblassten grünen Fensterläden. Ich steige die Treppe hinauf, die nach Katzenpisse stinkt. Vierter Stock. An der Tür klebt ein Schild: Johnny Belmonte. Ich glaube nicht, dass das sein richtiger Name ist. Und ich glaube auch nicht, dass das seine richtige Wohnung ist. Meiner Ansicht nach ist das nur ein Ort für gewisse Stunden. Ich klopfe an. In der Wohnung höre ich Johnny »Herein!« brüllen. Er ist da!
    Ich trete ein. Er sitzt auf einer durchgelegenen Matratze, neben ihm liegt ein nacktes Mädchen. Sie schnarcht mit offenem Mund. Neben ihrer Hand liegen eine leere Weinflasche und eine schmutzige Spritze. Johnny sieht durch mich hindurch.
    In leeren Pizzakartons krabbeln Schaben. Er nimmt eine und lässt sie in den Mund des Mädchens fallen. Sie fährt hoch, verschluckt sich, spuckt, läuft bläulich an und richtet sich hustend und mit weit aufgerissenen Augen auf. Johnny lächelt.
    Mühsam stößt das Mädchen »Was ist .« hervor, als er sie mit einem Paar kräftigen Ohrfeigen unterbricht. Tränen schießen ihr in die Augen. Er wirft sie bäuchlings aufs Bett, versohlt ihr den Hintern und erhebt sich, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ein Machoman in all seiner Schönheit, äußerst zufrieden mit sich selbst. Er geht zur Dusche.
    Das Mädchen spuckt auf den Boden, greift nach ihrem Kleid - einem schmutzigen, schwarzen Wollsack -, wobei sie mich von unten her ansieht, als fürchte sie, auch ich würde sie schlagen.
    »Was für ein Scheißkerl!«, stößt sie zwischen ihren schlechten Zähnen hervor. »Der Typ ist ja total verrückt, ich mach 'ne Fliege …«
    Die Tür geht auf.
    »Ist jemand zu Hause?«, ruft Bull mit seiner lauten, unangenehmen Stimme.
    Bull ist eine Abkürzung für Bulldozer, denn dieser Kerl hat das Aussehen und die Intelligenz eines Schaufelbaggers. Er wohnt im selben Stock gegenüber und ist Johnnys unterwürfiges Hündchen.
    Er tritt ins Zimmer, sieht das Mädchen und bekommt gierige Augen. Blöd und geil. Johnny schiebt den Duschvorhang zur Seite. Blonder Flaum glänzt auf der nackten Brust. »Bedien dich nur«, sagt er zu Bull.
    Bull geht auf das Mädchen zu und bedient sich. Ich beobachte die Tauben vor dem Fenster. Als das Mädchen fertig gestöhnt hat, drehe ich mich um. Bull knöpft sich die Hose zu und ruft im Hinausgehen: »Ich kaufe Croissants!« Johnny ist noch immer unter der Dusche. Das Mädchen schnieft. Ich hebe ihr Kleid auf und reiche es ihr.
    »Verschwinde lieber, schnell!«
    Sie sieht mich an. Nicht sehr hübsch, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, das Gesicht vom Weinen verquollen, Rotz in der Nase, bläulich verfärbte Lippen, dunkle Ringe unter den Augen, die Arme von Einstichen vernarbt. Wieder eine Kokainbraut, die bald im Leichenschauhaus landen wird. Sie streckt die Hand mit den abgebrochenen Nägeln nach meinem Gesicht aus.
    »Hat man dich geschlagen?«
    Ich zucke die Schultern. Ich empfinde es als schmerzlich, wie vertraut ihr diese Frage zu sein scheint. Nicht meinetwegen, sondern ihretwegen; wegen all der Schläge, die sie sicher schon einstecken musste. Wegen des Mitleids, das sie trotzdem noch empfindet. Projektion, würde der Psychiater sagen. Bei Ihrer Vergangenheit …
    Sie streicht mir leicht über das Haar.
    »Bist du ein Kerl oder ein Mädchen?«
    »Ein Gartenzwerg. Verschwinde und komm nie wieder her. Er ist verrückt«, sage ich mit einer Kopfbewegung in Richtung Dusche.
    Der Plastikvorhang wird zur Seite geschoben.
    »Was erzählst du da wieder für Unsinn, Bo?«
    »Nichts, Johnny.«
    »Lügner!«
    Johnny steigt aus der Dusche, nackt und tropfnass. Er baut sich vor mir auf, damit ich seinen perfekten Körper bewundern kann. Er schüttelt sich wie ein Hund, und einige Wassertropfen spritzen mir ins Gesicht. Ich lecke mir die Lippen, während das Mädchen, das Kleid an sich gedrückt, entsetzt rückwärts das Zimmer verlässt.
    Ich höre die Tür zuschlagen, dann eilige Schritte auf der Treppe. Unter welchem Typen sie wohl heute Abend liegen wird und für welche Dosis alles, was man von ihr verlangt, erdulden?
    Johnny trocknet sich ab und kleidet sich an, während ich ihm zusehe. Er zieht die Hugo-Boss-Jacke an und kämmt sorgfältig das gut
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