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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht
Autoren: Brigitte Aubert
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aber die Bullen dachten auf Grund von Marianas Herkunft eher an die Russenmafia. Durch die Nachforschungen war der hiesige Ring zwar zerschlagen worden, aber das hatte letztlich hinsichtlich des Verbrechens selbst zu keinem Ergebnis geführt. Die Zeit verging, und niemand hatte mehr an die arme Frau gedacht, ermordet und verstümmelt, wie jedes Jahr Dutzende anderer Prostituierter, ohne dass das die Öffentlichkeit groß kümmert.
    Leicht beklommen frage ich ihn:
    »Kenne ich sie?«
    »Weiß ich nicht. Man nannte sie Natty … Natty die Belgierin.«
    Das sagt mir zwar nichts, aber die Mädchen aus dem Norden der Stadt kenne ich ohnehin nicht.
    »Man hat sie auf dem Parkplatz eines Supermarktes gefunden, diesmal war's Auchan«, fährt er fort. »Auf dieselbe Art zerstückelt wie die Erste. Zerstückelt und ausgenommen.«
    Ich muss an ein Hähnchen im Supermarkt denken. Ich hebe den Kopf zu Mossa.
    »Glauben Sie, es war derselbe?«
    »Na, wenn es nicht derselbe war, dann gibt es zwei Fanatiker mit einer Vorliebe für Hackbeile.«
    Fassungslos sehe ich ihn an. Ein Hackbeil? Soll das ein Witz sein oder was hat das zu bedeuten? Mossas große Hand malt eine Art kleines Beil in die Luft.
    »Weißt du, so ein Ding, wie es die Großmütter in der Küche hatten, um damit den Hühnern den Hals abzuhacken.«
    Ich sehe meine Großmutter, die in ihrer ordentlich aufgeräumten Küche sitzt und trinkt, um zu vergessen, dass mein Vater ein Schwein ist. Ich sehe das glänzende Hackbeil, das auf dem sauberen Schneidebrett liegt. Die gut geschärfte Klinge . Mossa fährt fort:
    »Wir gehen nicht davon aus, dass es viele Typen gibt, die mit so einem Ding rumrennen. Normalerweise ist es eher ein Messer, eine Knarre oder notfalls ein Schraubenzieher, aber ein Hackbeil, das deutet auf jemanden hin, der vorsätzlich handelt.«
    »Sie glauben also nicht mehr an die Russenmafia?«
    »Nachdem wir dort erst kürzlich aufgeräumt haben, scheint mir das wenig wahrscheinlich.«
    Ich überlege kurz.
    »Vielleicht ist es ein Metzger . Vielleicht hat er sein Hackbeil in seinem Verkaufswagen dabei.«
    »Daran hat der Pastor auch schon gedacht. Sag auf alle Fälle den anderen, sie sollen aufpassen. Also, ich muss gehen. Komm morgen wieder vorbei, dann ist Dereks Vertreter da.«
    »Ist er nett?«
    »Jaaa .«
    Schon gut, ich habe verstanden. Mossa eilt die Treppe hinunter. Ich warte auf den Aufzug. Der Pastor, das ist Luther, ein Kumpel von Mossa. Er arbeitet bei der Kripo. Man nennt ihn Pastor wegen seines Namens und auch wegen seines strengen Auftretens. Meist ist er schwarz gekleidet und trägt eine runde Metallbrille. Wenn ich ihm begegne, habe ich jedes Mal das Gefühl, einen rosafarbenen Stern auf der Stirn zu tragen.
    Auf der Straße nieselt es noch immer. Die Reifen schmatzen in den Pfützen, Wasser spritzt auf. Die Leute gehen schnell, mit gesenktem Kopf und aufgespanntem Regenschirm. Einige werfen mir verstohlene Blicke zu. Daran bin ich gewöhnt. Ich öffne den Mund, um die Regentropfen auf meinen Lippen zu spüren. Sie sind frisch und sanft.
    Ich kaufe einen Hamburger und schaffe es, die Hälfte zu verspeisen. Die andere Hälfte lege ich neben eine Pennerin, die sich mit Pappkartons zugedeckt hat.
    »Ich bin doch kein Mülleimer«, brüllt sie mir nach.
    Ich mache Anstalten, den halben Hamburger zu zertreten.
    »Dreckskerl!«, protestiert sie und stürzt sich darauf, um ihn zu essen.
    Bo, sage ich mir, du hättest Psychiater werden sollen! Als ich in unserem Viertel ankomme, nehme ich die Straße, in der die Mädchen stehen. Anscheinend hat sich der Mord schon rumgesprochen. Jemand klopft mir auf die Schulter. Es ist Miranda, sie ist sechzig Jahre alt und hat schon alles erlebt, alles mitgemacht.
    »Hast du das mit Natty gehört?«, fragt sie in ihrem harten spanischen Akzent, der untrennbar mit ihren rot geschminkten Lippen und ihren Augen verbunden ist, die schwärzer sind als die einer Operetten-Carmen.
    Ich nicke, und sie schreit plötzlich: »Rauch, das ist belgischer!«, was mich ernsthaft an ihrem Geisteszustand zweifeln lässt. Dann fügt sie hinzu:
    »Das haben wir immer gesagt, sobald Natty, die Belgierin auftauchte, dann war sie stocksauer, die Ärmste.«
    »Hat sie auf diesem Parkplatz gearbeitet?«
    »Nein. An der Autobahnbrücke. Nein, nun stell dir das doch nur vor! Mit einem Hackbeil! Mir macht das Angst.«
    »Keine Sorge, er nimmt nur Junge!«, ruft ihr Elvira zu, eine falsche, ganz in Leder gekleidete Sado-Maso-Mieze.
    »Du
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