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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht
Autoren: Brigitte Aubert
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Zwanzig-Centime-Stücke, das Preisschild des Blousons, den ich neulich im Supermarkt geklaut habe, meine Versicherungskarte. Eine gute Werbung für einen Soziologiekurs.
    Ein Taxi hält am Bordstein. Die Tür öffnet sich. Ich halte den Atem an. Johnny mit seinem Aktenkoffer.
    Er bezahlt den Fahrer, ich sehe ein Bündel Geldscheine in seiner Hand. Wenn er gleich schick gekleidet wieder aus dem Haus kommt, geht er essen, kommt er in Jeans, dreht er eine Runde. Eine halbe Stunde vergeht.
    Er verlässt das Haus in Jeans und einer wattierten Jacke.
    Er geht zu seinem verbeulten Auto. Ich laufe hin. Johnny dreht sich um und sagt, ich solle verschwinden.
    »Lass mich mitkommen.«
    »Hau ab, Bo.«
    »Bitte.«
    »Nicht heute Abend.«
    Der Ton ist unbeteiligt, fast höflich. Kalt. Johnny ist weit weg. Unerreichbar. Es ist, als würde er mich nicht sehen. Dieses Gefühl ertrage ich nicht. Es ist mir lieber, er schlägt mich. Jetzt bin ich nichts, ein Niemand, nur eine Sache, die ihm lästig ist. Ein Fleck in der Landschaft. Ich überlege verzweifelt, was ich sagen könnte, etwas, das seinen Blick belebt und seine Finger in Bewegung geraten lässt. Schließlich sage ich:
    »Ein Mädchen ist ermordet worden.«
    »Na und?«
    »Mit einem Hackbeil. Mossa hat es mir erzählt.«
    »Mossa?«
    »Du weißt schon, der schwarze Bulle, der mich gerne mag.«
    »Ah ja. Na und?«
    Ich habe ihm schon öfter von Mossa erzählt, von Derek, von meinem Leben. Aber Johnny hört mir fast nie zu.
    »Eine Nutte, in der Nähe von Auchan«, erkläre ich.
    »Hör zu, Bo, ich habe es eilig, und deine Geschichten von mit der Axt ermordeten Nutten .«
    »Mit einem Hackbeil.«
    »Das ist das Gleiche. Mir ist es scheißegal. Ciao.«
    Er öffnet die Tür und setzt sich hinters Steuer. Na, Bo, wirst du neben ihm einsteigen, dich an die Tür klammern, warten, bis er dich mit Fußtritten verscheucht? Er lässt den Motor an. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will nicht, dass er wegfährt.
    »Johnny«, brülle ich und weiß, dass ich es besser nicht tun sollte.
    Er seufzt und tritt aufs Gaspedal. Mit quietschenden Reifen schießt der Wagen vom Gehsteig weg. Er sieht sich nicht um. Mit der Verzweiflung eines Kosmonauten, den sein Raumschiff auf dem Planeten Sinistra ausgesetzt hat, starre ich den Rücklichtern nach. Jemand klopft mir auf die Schulter. Es ist Bull. Diesen Typen mag ich wirklich nicht. Entschlossen und geräuschvoll kaut er seinen Kaugummi.
    »Bist du verrückt, Bo. Wartest du auf deinen Märchenprinzen?«
    Sein Gelächter entblößt seine vom Nikotin gelb verfärbten Zähne. Sein Pferdeschwanz hängt wie ein dünner Rattenschwanz auf einer Wildschweinschulter. Sein Grinsen ist mir egal.
    »Kannst du mir nicht zwanzig Franc leihen? Für einen Hamburger?«
    »Du solltest lieber einen Hotdog nehmen, dann könntest du dich anderweitig mit dem Würstchen vergnügen, ehe du es frisst .«
    Er lacht ausgiebig über seinen Witz, die Hände in die Hüften gestemmt, den Wanst rausgestreckt. Ein Hell's Angel für Arme.
    »Kannst du mir nicht doch was geben?«
    »Meine Filzläuse? Gerne!«
    Wieder Gelächter. Sein Fett hüpft. Er hat riesige Brustmuskeln wie ein Catcher. Ich kann ihn mir gut mit einer Kapuze auf dem Kopf vorstellen wie einen Henker oder wie er sich im Schlamm wälzt und versucht, einen anderen unter seiner Fleischmasse zu begraben.
    »Ich habe kein Geld«, fährt er fort und kneift die kleinen Schweinsaugen zusammen. »Für dich habe ich kein Geld. Du pumpst ständig alle an, das nervt.«
    Ich antworte nicht. Ich wiege den Kopf hin und her, um mein Haar auf den Schultern zu spüren. Mein Haar ist schön - schwarz, voll und gelockt. Das Haar einer arabischen Prinzessin. Von Dreck verklebt. Das Haar einer in einen Laderaum gesperrten Prinzessin, die von nach Anchovis stinkenden Seeleuten vergewaltigt wird. Ekelhaft. Ich streiche über einen der Stampfer, die er anstelle des Bizeps hat. »Gib mir Johnnys Schlüssel. Ich muss duschen.«
    Bull lässt sich mit der Antwort Zeit. Er lässt mich gerne warten, mich spüren, dass er Johnnys Kumpel ist, dass er die Schlüssel zu seiner Bude hat und sie mir nicht geben muss. »Ich weiß nicht, ob das Johnny recht ist«, sagt er mit der unschuldigen Miene eines Erstkommunikanten, der auf seiner Kerze sitzt.
    »Er hat es mir erlaubt, gerade, ehe er abgefahren ist. Hast du nicht gesehen, dass ich mit ihm geredet habe? Er will, dass ich mich wasche. Er sagt, ich stinke.«
    Das bringt Bull zum Lachen. Alles
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