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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht
Autoren: Brigitte Aubert
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bist blöd . wenn du erst mal in Scheibchen zerschnitten bist, wirst du das weniger lustig finden«, entgegnet Miranda.
    »Einmal müssen wir schließlich alle sterben . «, philosophiert Elvira und zündet sich eine Zigarette an.
    Sie bietet mir auch eine an. Ich nehme sie. Dann lächelt sie mir zu, sie lächelt die ganze Zeit, sie hat sich erst letzten Monat die Zähne richten lassen. Ich zwinge mich ebenfalls zu einem Lächeln. Ich mag sie nicht. Sie ist ganz und gar der Typ blöde Blondine, der Johnny gefällt. Ich frage mich immer, ob er nicht zu ihren Kunden gehört. Ob sie ihn in ihrem armseligen Appartement zum Stöhnen bringt.
    Ob sie sieht, wie er die Augen verdreht.
    Wie sich seine Haut mit Schweißperlen überzieht. Einmal habe ich einen Schweißtropfen von seiner Lippe gewischt, er hat mich so heftig geohrfeigt, dass ich hingefallen bin. Ich habe meinen Zeigefinger in den Mund gesteckt und ihn abgelutscht.
    »Und was ist dir passiert?«, fragt Miranda und mustert mich prüfend. »Bist du aus dem Bus gefallen oder war das dieser Dreckskerl, in den du verknallt bist?«
    »Ich bin aus dem Bus gefallen.«
    Ich habe keine Lust, ständig darüber zu reden. Sie zuckt die Schultern und gibt ein missbilligendes »tsst-tsst« von sich. Ich frage mich, warum die ganze Stadt darüber informiert ist, dass ich mich zu Johnny hingezogen fühle. Ich kann mich nicht erinnern, diesbezüglich eine Kleinanzeige aufgegeben zu haben.
    Elvira fragt mich, ob ich ihr einen ausgebe. Unter Freundinnen. Ich erkläre ihr, dass meine einzige Freundin in meinem Slip ist. Sie lacht, und ich verschwinde.
    Ich mache mir Sorgen. Gerunzelte Stirn und vorzeitige Falten. In einer Schaufensterscheibe betrachte ich mein Spiegelbild. Stimmt, das Abbild eines genervten Menschen. Ich versuche, mich zu entspannen. Vergeblich. Ich bin nervös. Ich habe unglaubliche Kopfschmerzen, eine Folge meiner äußerst angenehmen Nacht, und Lust zu kotzen. Und es ist nicht eben hilfreich, mir den alten Derek vorzustellen, wie er in seiner Küche liegt, einen dreckigen Gummischlauch im Mund.
    Auf der Suche nach einem kleinen Happymacher laufe ich durch das Viertel. Ich treffe Axelle, ihre Pupillen sind klein wie Stecknadelköpfe. Sie zeigt mir ihr neues Implantat: ein Nylonarmband, das sie sich unter die Haut des Unterarms hat nähen lassen. Touristen wechseln bei unserem Anblick die Straßenseite. Ich habe sie im Internet-Cafe kennen gelernt, wir surften beide auf BME (Body Modifikation E-Zine). Wir haben lange über den Schmerz und die körperliche Veränderung gesprochen.
    »Für mich ist die körperliche Veränderung eine Art, meinen Körper erneut in Besitz zu nehmen«, sagte sie und strich sich mit der Hand über den kahl geschorenen Kopf.
    »Und für mich ein Weg, ihm zu entfliehen«, erklärte ich ihr und dachte daran, was es mich kosten würde, meine Brüste etwas stärker wachsen zu lassen.
    Axelle hat immer das Neueste. Zuerst waren es Unmengen von Piercings und ein Metallstab durch die Nasenscheidewand. Dann entschied sie sich für einen jener Halsreifen, die den Hals in die Länge ziehen wie bei den »Giraffen-Frauen« und für in die Ohren eingenähte 500-Lire-Stücke.
    Dann ging's weiter mit Relief-Tätowierungen - ein Alpha unter dem rechten Auge, ein Omega unter dem linken und am Kinn ein Branding, ein mit dem glühenden Eisen eingebranntes @ der e-Mail-Adresse. Und nun sind also Implantate an der Reihe: diverser Modeschmuck, den sie sich unter die Haut schieben lässt, »unter ärztlicher Aufsicht, versteht sich«. Axelle liebt alles, was medizinisch ist. Sie nimmt nur synthetische Drogen. Einmal hat sie mir gestanden, dass sie keine sexuellen Beziehungen haben kann, weil der Geruch menschlicher Haut sie anwidert. Wenn man eines Tages vakuumverpackte Typen anbieten würde, wäre das eine echte Befreiung für sie.
    »Das Kabel«, meint sie plötzlich.
    »Was, das Kabel?«
    »Im Kabelkanal. Gestern Abend. Eine Reportage. Unglaublich, das Höchste. Nächstes Mal lasse ich mir Hörner machen.«
    »Hörner?«, frage ich und komme mir plötzlich alt vor.
    »Hörner aus Inox, ja, an jeder Schläfe, wie ein Stier.«
    »Ja, mit einem Schild um den Hals >im Tele-Shop gesehene.«
    »Du bist blöd! Hörner, das ist super. Los Angeles. Die Typen sind das Super-Delirium.«
    Ich nicke höflich. Sie zeigt mir ihren Unterarm, die ovale Form des Armbands ist deutlich unter der Haut zu erkennen.
    »Absolut genial, was?«
    Ich streiche über die durch das Armband
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