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Seidig wie der Tod

Seidig wie der Tod

Titel: Seidig wie der Tod
Autoren: J Ross
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nicht“, versetzte er trocken. „Und jetzt verschwinde, bevor ich meine Autorität geltend mache.“
    Desiree ließ sich von einem Beamten hinter die Absperrung zurückbegleiten. „Mach eine Aufnahme von den Schaulustigen“, forderte sie Sugar auf. „Danach können wir meinen Kommentar filmen.“
    „Ein bisschen Lokalkolorit ist immer gut“, stimmte Sugar zu.
    In der Hoffnung, jemanden zu finden, der etwas gesehen hatte, mischte Desiree sich unter die anderen Reporter. Sie ging gerade auf eine dicke Frau mit krausem, grauem Haar zu, als eine Bewegung am Rand der Menge ihre Aufmerksamkeit erregte.
    Roman Falconer.
    Nein, dachte Desiree, er kann es nicht sein. Obwohl sie wenig über die privaten Gewohnheiten berühmter Bestsellerautoren wusste, bezweifelte sie, dass sie dazu neigten, mitten in der Nacht die schäbigeren Stadtviertel zu durchstreifen.
    Andererseits war es natürlich möglich, dass Falconer sich auf Themasuche für ein neues Buch befand. Da alle seine Romane von Mord und anderen Gewalttaten handelten, musste ein Vergewaltiger im Französischen Viertel ein gefundenes Fressen für ihn sein.
    Er war groß und hager, und bei näherem Hinsehen bestand kein Zweifel mehr, dass der Mann, der sich so eindringlich auf dem Schauplatz des Verbrechens umsah, Roman Falconer war. Das erste Mal, als Desiree jene verwirrend blauen Augen aufgefallen waren, war vor fünf Jahren gewesen, als sie in einer Auslage auf Magazine Street einen Buchtitel mit seinem Porträt gesehen hatte.
    Das letzte Mal hatte sie sein Gesicht heute Nacht gesehen, auf der Rückseite seines neuesten Bestsellers, der auf ihrem Nachttisch lag. Und wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte der Pirat in ihrem Traum eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Kriminalschriftsteller aufgewiesen.
    Ihre Blicke begegneten sich – Desirees fragend, Falconers düster und mit einem seltsam gehetzten Ausdruck.
    Seine Kleidung – schwarze Lederjacke und schwarze Jeans – wirkte streng, abweisend und ließ ihn wie ein Geschöpf der Nacht erscheinen. Desirees ausgeprägte Fantasie verglich ihn sofort mit Jack The Ripper. Es fehlte nur noch ein bisschen Nebel, um das Bild zu vervollständigen.
    „Hey! Ich weiß, wer Sie sind!“ Eine kräftige Stimme unterbrach den seltsam intimen Blickaustausch zwischen ihnen, und eine Frau packte Desiree am Arm. „Sie sind Desiree Dupree, die Fernsehreporterin!“
    Dank Jahren der Erfahrung gelang es Desiree, einen gereizten Ton aus ihrer Stimme fernzuhalten. „Ja.“
    „Wissen Sie, Sie sehen viel besser aus als im Fernsehen!“
    „Danke.“ Desiree zwang sich zu einem Lächeln, bevor sie der Frau ihren Arm entzog und sich wieder nach Roman Falconer umdrehte.
    Doch er war bereits verschwunden, rasch und lautlos, als hätte er sich aufgelöst in Rauch.

2. KAPITEL
    A ls Roman an diesem Abend zum zweiten Mal heimkehrte, schenkte er sich einen Drink ein und ging dann auf den Balkon. Dort beobachtete er, wie noch mehr Streifenwagen in Richtung Friedhof rasten. Die Verstärkung war unsinnig, das wusste er. Zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen würden all diese zusätzlichen Beamten höchstens die letzten Spuren am Schauplatz des Verbrechens zertrampeln.
    Doch selbst Polizisten waren unter ihren Uniformen auch nur Menschen, die das gleiche krankhafte Interesse für Gewalt entwickelten wie Zivilisten. Die makabre Neugier, die heute Nacht so viele Menschen zum Friedhof getrieben hatte, erklärte auch die üblichen Verkehrsstockungen bei Verkehrsunfällen.
    Während seiner Zeit als Staatsanwalt hatte Roman die Beobachtung gemacht, dass Qual, Leid und Tod die Menschen magisch anzogen. Je grausiger, desto besser. Seit er beschlossen hatte, lieber über Mörder zu schreiben, als sie zu verfolgen, hatte diese Kenntnis menschlicher Schwächen ihn zu einem reichen Mann gemacht.
    Doch jetzt, im Zeitalter der „politischen Korrektheit“, wurden seine Romane wegen der Darstellung von Gewalt heftig kritisiert. Erst im vergangenen Monat hatte ein Senator aus den Südstaaten Ausschnitte aus
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im Kongressbericht zitiert und Roman der Verherrlichung von Mord und Vergewaltigung bezichtigt. Presseberichten zufolge hatte der Senator den Autor sogar beschuldigt, Amerika eigenhändig zu zerstören.
    Roman hatte derartige Kritiken stets mit einem Achselzucken abgetan. Seine Romane waren pure Fiktion, mehr nicht. Nie hatte er das Bedürfnis empfunden, seine Arbeit zu verteidigen.
    Bis die Serie von Vergewaltigungen im
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