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Seidig wie der Tod

Seidig wie der Tod

Titel: Seidig wie der Tod
Autoren: J Ross
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und eine doppelte Portion
callas“
, sagte er zu der Bedienung.
    Desiree nahm den Faden wieder auf. „Wenn du weißt, dass es derselbe Mann ist, muss das Mädchen dir doch eine Information gegeben haben.“
    „Noch nicht.“ Er strich sich müde übers Haar. „Sie wurde hysterisch, als der Arzt sie untersuchen wollte. Sie haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Der Doktor meinte, sie hätte die Nacht aus ihrer Erinnerung verdrängt.“
    „Woher willst du dann wissen, dass es derselbe Täter ist?“
    „Der Modus operandi ist der gleiche. Er hat einen Tick, der Kerl.“
    „Wirst du mir sagen, welchen?“
    „Nein.“ Auf ihren enttäuschten Blick hin fügte er hinzu: „Nicht, weil ich dir nicht vertraue. Aber ich darf dir zu diesem Zeitpunkt wirklich noch nichts darüber verraten.“
    Sie kannte ihn gut genug, um ihn nicht zu bedrängen. „Ich schätze, deine Leute haben mit den Prostituierten im Viertel gesprochen, um zu sehen, ob sie in letzter Zeit Kunden mit irgendwelchen Macken hatten?“
    „Natürlich. Aber du weißt so gut wie ich, dass jede Dirne, die diesem Psychopathen entkommen sein mag, ihn vermutlich längst als Berufsrisiko abgeschrieben hat.“
    Ihr Frühstück erschien. O’Malley stürzte sich auf seine
callas
– traditionelle Reiskuchen mit Butter und Sirup – mit dem Enthusiasmus eines Mannes, dem seine Henkersmahlzeit vorgesetzt wird.
    Sie aßen schweigend, in Gedanken verloren, von denen Desiree annahm, dass sie der gleichen Richtung folgten. Einer der Gründe, warum sie und der Kriminalbeamte sich einst zueinander hingezogen gefühlt hatten, war ihre fast unheimliche geistige Übereinstimmung gewesen.
    Nur leider nicht hinsichtlich ihrer Berufe. Michael Patrick O’Malley war nicht ohne Narben in seiner gefährlichen Laufbahn davongekommen. Ein jugendlicher Ladenräuber hatte ihn eines Abends, als der Detective Zigaretten kaufen wollte, in einem Tabakwarenladen auf der St. Peter’s Street in den Arm geschossen.
    Als Desiree in der Klinik eingetroffen war, hatte O’Malley den Vorfall mit einem Achselzucken abgetan und gesagt, er betrachtete ihn als Beweis dafür, dass Rauchen tatsächlich sehr schädlich für die Gesundheit war. Mit der eisernen Willenskraft, die sie so an ihm bewunderte, hatte er noch in derselben Nacht sein zehnjähriges Laster aufgegeben.
    Und doch, obwohl er seine eigenen Risiken auf die leichte Schulter nahm, war er nicht bereit gewesen, ihr die gleiche Freiheit zu gewähren, und hatte nie verstanden, wieso eine Frau ihre Zeit damit verschwendete, über Verbrechen zu berichten.
    Während einer besonders denkwürdigen – und lauten – Auseinandersetzung hatte er sie gefragt, warum zum Teufel sie sich nicht damit zufriedengeben konnte, über Ereignisse wie etwa die Geburt eines Löwenbabys zu berichten.
    Worauf sie aufgebracht entgegnet hatte, warum er nicht seine Dienstmarke abgab, einen Job als Politesse annahm und Falschparkern am Jackson Square Strafzettel aufbrummte.
    Später hatten sie sich entschuldigt, beide, doch die Kluft zwischen ihnen war gewachsen, bis Desiree eines Morgens zu der Erkenntnis kam, dass sie und Michael O’Malley auf entgegengesetzten Seiten eines Abgrunds standen, der so breit und tief wie der Grand Canyon war.
    „Um welche Zeit wirst du die Pressekonferenz abhalten?“, brach sie schließlich das lange Schweigen.
    „Es gibt keine Pressekonferenz. Noch nicht jedenfalls.“
    „Was?“ Sie schob ihren Teller beiseite und stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Habe ich dich richtig verstanden? Ein Triebtäter macht das Französische Viertel unsicher und überfällt junge Frauen, und die Polizei hält es nicht für nötig, die Bürger unserer Stadt zu warnen?“
    O’Malley hielt ihrem prüfenden Blick stand. „So einfach ist das nicht“, murmelte er.
    „Komm mir nicht damit, O’Malley!“ Ihre Gefühle, stets dicht an der Oberfläche, brachen sich in einem wütenden Ausbruch Bahn. „Ich weiß, dass die bisherigen Opfer nicht zu den geschätztesten Mitgliedern unserer Gesellschaft gehören, aber keins dieser Mädchen verdiente es, auf diese Weise attackiert zu werden. Und die anderen haben ein Recht darauf, zu erfahren, dass ihnen sogar noch größere Gefahr als sonst droht!“
    „Darin sind wir uns einig.“ Das einzige Zeichen seines Ärgers war ein Zucken an seiner Wange und die Art, wie seine Lippen schmal geworden waren.
    „Weshalb also …“ Sie brach ab. „Aus politischen Gründen, nicht?“
    Er warf ihr einen
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